Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Vom Glanz des Schönen

10.07.2011

Neunter Würzburger Augustinus-Studientag thematisierte das Schöne in Theologie, Philosophie und Musik

Mitwirkende des Augustinus-Studientages (v.l.n.r.): R. Buchberger, U. Breitenstein, D. Willoweit, G. Förster, W. Beierwaltes, J. Kreuzer, Bischof F. Hofmann, Th. Goppel, C. Scheler, C. Müller, S. Wulf, D. Burkard, S. Buchberger (Foto: ZAF)

In den Werken der Kunst, der Literatur und der Musik begegnet der Mensch Teilaspekten des Schönen, die ihm den Blick für den transzendenten Ursprung aller Schönheit, Gott selbst, zu öffnen vermögen. Für den Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann besitzt dieser Grundgedanke des heiligen Augustinus (354-430) auch in der Reflexion über zeitgenössische Kunst Gewicht. Bischof Hofmann sprach zur Eröffnung des Neunten Würzburger Augustinus-Studientages, den das Zentrum für Augustinus-Forschung (ZAF) an der Universität Würzburg am 16. und 17. Juni 2011 unter dem Rahmenthema „Das Schöne in Theologie, Philosophie und Musik“ ausrichtete. Mit einer Einführung in das Rahmenthema von Professor Cornelius Petrus Mayer und den sich anschließenden Fachreferaten von Professor Werner Beierwaltes, Professor Johann Kreuzer, Silke Wulf und Dr. Anja Heilmann sowie einer Darbietung des Ensembles für mittelalterliche Musik unter Leitung von Dr. Gabriele Ziegler wurde die Veranstaltung anderntags fortgesetzt.

Festvortrag von Bischof Hofmann

Die Veranstalter gaben mit ihrem diesjährigen Motto der Frage nach der Bedeutung des Ästhetischen in antiken und mittelalterlichen, aber auch zeitgenössischen Diskursen Raum. Der Vorsitzende der Gesellschaft zur Förderung der Augustinus-Forschung e.V., Staatsminister a.D. Dr. Thomas Goppel MdL, freute sich, dass er zum Eröffnungsabend gut siebzig Besucher nicht nur aus Würzburg und Umgebung, sondern aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland im Toscanasaal der Würzburger Residenz begrüßen konnte.

Bischof Friedhelm Hofmann, der als promovierter Kunsthistoriker im Ruf eines „Mittlers zwischen Kirche und Kunst“ steht, entfaltete in seinem Festreferat die Denkbewegung des Kirchenvaters Augustinus von Hippo, derzufolge es „über die erfahrbare sichtbare Schönheit … die unsichtbare Schönheit Gottes zu suchen“ gelte. Auch in der Reflexion über zeitgenössische Kunst werde „aus dem diese Geschöpflichkeit übersteigenden kreativen Schaffen die Frage nach dem Transzendenten, nach dem ‚Mehr‘ eines Kunstwerkes unausweichlich“. Im Bereich der Liturgie sieht Bischof Hofmann eine besondere Aktualität der von Augustinus entwickelten Konzeption und erinnerte dazu an eine grundsätzliche Aussage von Papst Benedikt XVI.: „Die Bilder des Schönen, in denen sich das Geheimnis des unsichtbaren Gottes versichtbart, gehören zum christlichen Kult.“

Fachreferate und Beispiele zur Wirkungsgeschichte

Persönliche Grüße des Papstes an die Teilnehmer des Augustinus-Studientages konnte zum Auftakt des zweiten Veranstaltungstages der wissenschaftliche Leiter des ZAF, Professor Cornelius Petrus Mayer OSA, übermitteln, der am Vortag von Benedikt XVI. in Privataudienz empfangen worden war. In seiner thematischen Einführung wies Mayer die im Sankt-Burkardushaus der Diözese versammelten Hörerinnen und Hörer darauf hin, dass der Philosoph Augustinus sich bereits am Beginn seines schriftstellerischen Schaffens mit Fragen der Ästhetik beschäftigt habe; davon zeuge noch der Titel seines (leider nicht mehr erhaltenen) Erstlingswerkes „Über das Schöne und das Angemessene“. Unübersehbar sei der rationale Charakter der von Augustinus entwickelten Prinzipien der Ästhetik, der auf den Einfluss des Neuplatonismus zurückgehe und von Mayer in dem Satz zusammengefasst wurde: „Das Schöne gefällt deshalb, weil sein Schönsein einsichtig ist“.

Ein Vortrag über die von Plotin (205-270 n.Chr.), der Zentralfigur der neuplatonischen Schule, entwickelte Theorie des Schönen stand daher folgerichtig am Anfang der Fachreferate. Professor Werner Beierwaltes, unter Experten als einer der besten Plotin-Kenner anerkannt, machte deutlich, dass dessen berühmter Traktat „Über das Schöne“ (Enneade 1,1,6) primär nicht „ästhetischer“, sondern ethischer Natur sei: Nicht an einer Analyse des sinnenfällig Schönen sei Plotin interessiert, sondern an der geistigen, inneren Schönheit, die der Mensch aufgrund einer radikalen Wendung in sein Inneres durch Selbstreflexion in sich selbst bilden und erfahren könne, und darin bestehe seine Lebensaufgabe – ein Gedanke, den Augustinus später aufnehmen sollte, als er die berühmte Sentenz prägte: „Geh nicht nach außen, in dich selbst kehre zurück; im inneren Menschen wohnt die Wahrheit“.

Dem Verständnis Augustins vom „Grund ästhetischer Erfahrung“ war der Hauptvortrag des diesjährigen Studientages gewidmet. In der Schönheit zeige sich, so Professor Johann Kreuzer (Universität Oldenburg), die Gegebenheit einer menschlicher Willkür unzugänglichen Instanz, ein Maßstab, auf den wir uns in all unseren ästhetischen Urteilen beziehen. „Schönheit“ laute für den heiligen Augustinus zugleich die Antwort auf die Frage: „Was liebe ich, wenn ich dich, meinen Gott, liebe?“ Die mit dem Schönen gegebene Transzendenzerfahrung werde in den augustinischen „Bekenntnissen“ mit einer Analyse des menschlichen Erinnerungsvermögens verbunden. Bedeutsam sei hier, dass ästhetische Erfahrung nicht die raumzeitlichen Bedingungen unserer Erfahrungswirklichkeit überspringe, sondern sich in der menschlichen Erinnerung unter den Bedingungen endlichen Daseins vollziehe: „In diesem Sinne ist das Schöne als Erscheinungsweise von Ewigkeit in der Zeit zu bestimmen“, fasste Kreuzer zusammen.

Im Anschluss präsentierte Silke Wulf (ebenfalls Universität Oldenburg) Augustins Werk „Über die Musik“ als einen Lösungsentwurf für das erkenntnistheoretische Problem des ästhetisch Schönen. Der Kirchenvater verwende in dieser Schrift ein geradezu neuzeitlich anmutendes „Modell auditiver Signalverarbeitung“. Demzufolge sei das musikalische Erlebnis nicht Ergebnis einer passiven bzw. reproduktiven Tätigkeit des Hörers, vielmehr sei dieser nach augustinischem Verständnis in einem Akt der Selbstreflexion durch freie Bewegung der Seele selbst produktiv tätig.

Mit der musikalischen Ästhetik des spätantiken römischen Philosophen Boëthius (ca. 475-524) eröffnete Anja Heilmann (Universität Jena) den Ausblick auf die mittelalterliche Rezeption der augustinischen Musiktheorie. In neuplatonischer Tradition habe Boëthius die Musiktheorie als „Wissenschaft von den Zahlenverhältnissen“ aufgefasst. Da er die Zahlen als „quantitative Chiffren“ für die göttliche Schöpfungsordnung ansah, habe er aus den in Tonintervallen wie Quinte oder Quarte enthaltenen Zahlverhältnissen Verweise auf die Ursprünge alles Geschaffenen abzuleiten vermocht.

Musikalische Darbietung zum Abschluss

Als Pendant zu den vielfältigen musiktheoretischen Ausführungen stand zum Abschluss eine musikpraktische Darbietung auf dem Programm. Unter Leitung von Gabriele Ziegler (Münsterschwarzach) präsentierte das aus der Domschule und der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg hervorgegangene Ensemble für mittelalterliche Musik mehrere klangvolle Beispiele zur Wirkungsgeschichte der augustinischen Musiktheorie. Mit diesem Konzertelement erhielt der diesjährige Studientag, der von der Fritz-Thyssen-Stiftung großzügig gefördert wurde, seine ganz besondere Note und – wie der begeisterte Applaus der Teilnehmer bewies – eine gelungene Abrundung. Die lebhaften Diskussionen, die sich – moderiert von Privatdozent DDr. Christof Müller – an die einzelnen Referate anschlossen, bestätigten den Veranstaltern, dass sie mit der Wahl des Rahmenthemas einen lohnenden Forschungsgegegenstand aufgegriffen hatten.

Die Ergebnisse dieses Neunten Augustinus-Studientages werden ebenso wie die vorausgehenden Tagungen in einem Band der wissenschaftlichen Reihe „Cassiciacum 39 = Res et Signa“ (Würzburg, Augustinus bei Echter) dokumentiert werden.

Nächster Studientag 2012 in Rom

Der Zehnte Augustinus-Studientag wird Ende September 2012 im größeren Rahmen eines internationalen Symposions am Istituto Patristico Augustinianum in Rom stattfinden. Die Fachtagung steht unter dem Rahmenthema „Kampf oder Dialog? Begegnung von Kulturen in Augustins De civitate dei“.

Weitere Informationen unter: www.studientage.augustinus.de

(Text: Zentrum für Augustinusforschung)

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