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Katholisch-Theologische Fakultät

Ermittlungen an der Uni im "Fall Judas"

14.07.2011

Würzburger und Erlanger Gymnasiasten auf den Spuren frühchristlicher Literatur – Erste Phase des Projekts „Exegese-Werkstatt“ erfolgreich abgeschlossen

Aktuelle Ergebnisse der Bibelforschung schneller an Schüler vermitteln: Darauf zielt die Exegese-Werkstatt ab, eine Kooperation des Lehrstuhls für Neutestamentliche Exegese der Universität Würzburg mit fränkischen Gymnasien. Jetzt wurde die erste Phase dieses von der Robert-Bosch-Stiftung geförderten Pilotprojektes abgeschlossen.

Mehr als 150 Schülerinnen und Schüler der elften Klassen des Matthias-Grünewald-, des Riemenschneider- und des Wirsberg-Gymnasiums aus Würzburg sowie des Ohm-Gymnasiums aus Erlangen waren zu Studientagen an die Universität Würzburg gekommen. Angeleitet von den Mitarbeitern des Lehrstuhls für neutestamentliche Exegese unter der Leitung von Professor Dr. Bernhard Heininger befassten sie sich auf kreative und spannende Weise mit der Figur des Judas und dem nach ihm benannten Judasevangelium. Das Judasevangelium ist eine apokryphe (wörtlich: „verborgene“) Schrift aus der Frühzeit des Christentums, die nicht in den für die Kirche verbindlichen Kanon (Schriftenkatalog) des Neuen Testaments aufgenommen wurde. Erst vor kurzem wurde es wieder entdeckt und im Jahre 2006 erstmals veröffentlicht.

Auf den Spuren des angeblichen Verräters

Dieser ‚neuen‘ Spur des Judasevangeliums sollten die Schüler bei Studientagen am Sanderring folgen. Die Aufgabe bestand darin, den unaufgeklärten „Fall Judas“ zu lösen und so nähere Informationen über die Figur des Judas und das Judasbild der frühen Christen zu erhalten. Bei der Lösung des Falles arbeiteten die Gymnasiasten selbstständig und mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden. Quasi als „Textkommissare“ nahmen sie ihre Ermittlungen auf. Wie echte Kriminaler ermittelten sie dabei im Team mit Wissenschaftlern der Universität. Zugleich wurden sie selbst als Forscher aktiv.

Tatort Judasevangelium

Am Anfang machten sich die Schülerinnen und Schüler mit dem für sie noch unbekannten Judasevangelium vertraut. Bei diesem ersten Ermittlungsschritt stand die Sicherung des „Tatortes“ im Vordergrund. Der Text musste rekonstruiert und die näheren Umstände seiner Entstehung geklärt werden. Daran schloss sich das „Profiling“ an. Das dabei von den Schülern aus dem Text herausgearbeitete Judasbild erwies sich als zwiespältig. Denn Judas wird in dem nach ihm benannten Evangelium sowohl positiv als auch negativ darstellt. In einem weiteren Schritt wurde dieses ambivalente Ergebnis mit dem Judasbild verglichen, das die so genannten kanonischen Evangelien des Markus, Matthäus, Lukas und Johannes zeichnen. In diesen Texten wird Judas immer negativer gezeichnet, aus der tragischen Jüngergestalt wird schließlich der geldgierige und verruchte Verräter.

Forscher-Feeling und Uni-Atmo

Die Ergebnisse ihrer Recherchen und Forschungen präsentierten die Schülerinnen und Schüler zum Abschluss im Hörsaal allen interessierten Teilnehmern. „Durch ihre eigenen Forschungen konnten die Schüler eine andere Seite und die Vielfalt des frühen Christentums in den ersten beiden Jahrhunderten entdecken“, so Heinz Blatz von der Universität Würzburg. Neben bibelwissenschaftlichen Erkenntnissen haben die Studientage weitere positive Wirkungen entfaltet. Die Schüler schnupperten in die Universität Würzburg hinein, sie konnten universitäres Arbeiten erfahren, lernten Bibliothek, Hörsaal und beim Mittagessen auch die Mensa kennen. „Die Gymnasiasten kamen als Schüler und gingen als junge Forscher“, zog Blatz, als Assistent am Lehrstuhl für neutestamentliche Exegese einer der Verantwortlichen des Projekts, ein positives Fazit.

Exegese-Werkstatt Neutestamentliche Apokryphen

Das Würzburger Projekt „Exegese-Werkstatt Neutestamentliche Apokryphen“, das für drei Jahre von der Stuttgarter Robert-Bosch-Stiftung gefördert wird, stellt weithin unbekannte Texte aus der Frühzeit des Christentums in den Mittelpunkt, vor allem solche, die nicht in den neutestamentlichen Kanon aufgenommen wurden. Diese als Apokryphen bezeichneten Texte wurden teilweise erst im 20. Jahrhundert wieder entdeckt, etwa das Thomas- und das Judasevangelium. „Mit ihren eigenen Forschungen an den Texten können die Schüler die Vielfalt des frühen Christentums entdecken. Die Texte liefern ihnen nicht nur unterschiedliche Bilder, beispielsweise von Jesus oder Judas. Sie dokumentieren zudem Lösungsstrategien und Antworten auf Fragen und Konflikte, die auch heute noch relevant sind“, so der Initiator Professor Dr. Bernhard Heininger. An den Schulen wird das Projekt im Rahmen des Religionsunterrichts durchgeführt. Angelegt ist es fächerübergreifend, denn es schlägt Querverbindungen zu Literaturwissenschaften, Geschichte und den Klassischen Philologien.

(Text: Heinz Blatz/Claudio Ettl)

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