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Katholisch-Theologische Fakultät

25 Jahre Forschung an 72 Tonnen Material

12.01.2012

Dreibändige Dokumentation über Würzburger Sensationsfund jüdischer Grabsteine des Mittelalters der Öffentlichkeit präsentiert - Professor Karlheinz Müller federführend - Mehr als 300 Würzburger Theologiestudierende beteiligt

Betrachten gemeinsam das dreibändige Werk über die mittelalterlichen Würzburger Grabsteine (von links): Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch, Professor em. Dr. Dr. Karlheinz Müller, Generalvikar Dr. Karl Hillenbrand und Weihbischof Ulrich Boom. (Foto: Markus Hauck/POW)

(POW/CE) Eine Publikation, die drei Bände umfasst und das Ergebnis von 25 Jahren akribischer Arbeit ist, ist am Dienstag, 10. Januar, in Würzburg vorgestellt worden: „Die Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg aus der Zeit vor dem Schwarzen Tod (1147–1346)“ heißt das insgesamt über 2100 Seiten umfassende Werk. Herausgeber sind die Professoren Karlheinz Müller, Simon Schwarzfuchs und Abraham (Rami) Reiner.

„Nirgendwo auf der Welt sind so viele jüdische Grabsteine aus dem Mittelalter erhalten. Das zeigt: Würzburg war ein renommierter Studienort mit einer führenden jüdischen Gemeinde“, zog Müller Resümee der Forschungen. An der Präsentation im Jüdischen Kulturzentrum Shalom Europa nahm neben hochrangigen Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft auch Wissenschaftsminister Dr. Wolfgang Heubisch als Vertreter des Bayerischen Ministerpräsidenten teil.

Spektakulärer Fund im Januar 1987

Grundlage der Dokumentation ist ein spektakulärer Fund im Januar 1987. Beim Abriss eines Gebäudes der früheren Firma Landelektra, das einst zum Markuskloster in der Pleich gehörte, wurden zahlreiche jüdische Grabsteine entdeckt, die in den Mauern verbaut waren. Insgesamt 1.455 komplett oder als Fragmente erhaltene Exemplare waren es am Ende der Bergungsarbeiten, an denen auch mehr als 300 Würzburger Theologiestudenten mitwirkten, indem sie die Steine registrierten, säuberten, fotografierten und schließlich digitalisierten.

Wichtige Zeugnisse für die Geschichte Würzburgs

Von einer logistischen und finanziellen Mammutaufgabe sprach Würzburgs Oberbürgermeister Georg Rosenthal. „Durch die Steine ist jetzt wissenschaftlich belegt, dass jüdische Bürger seit dem 12. Jahrhundert Teil der Stadt Würzburg sind.“ Die Synagoge stand bis zum Pogrom im Jahr 1349 an der Stelle, an der sich heute die Marienkapelle befindet. Rund herum war das jüdische Viertel der Stadt. „Dass unter Julius Echter das Juliusspital auf dem Gelände des früheren, außerhalb der Stadtgrenzen gelegenen jüdischen Friedhofs errichtet wurde, verstieß gegen damals übliches Gesetz und auch gegen das kanonische Recht“, erklärte Rosenthal.

Minister Heubisch betonte, die Steine zeugten von Kraft und Schicksal des europäischen Judentums. Da das Depot der Grabdenkmäler im Keller von Shalom Europa sei, könne man sprichwörtlich sagen, das Kulturzentrum baue auf diesen historischen Grundlagen auf. Eyring Freiherr von Rotenhan, Vorsitzender der Gesellschaft für fränkische Geschichte, nannte die dreibändige Dokumentation über die jüdischen Grabsteine die „bisher umfangreichste und schwierigste Aufgabe“ seiner Gesellschaft. Er dankte allen, die sich finanziell an dem Projekt beteiligt haben, unter anderem der Diözese Würzburg.

Dank an Mitherausgeber und Mitarbeiter

Müller, von 1972 bis 2004 Professor für Biblische Einleitung und Biblische Hilfswissenschaften an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Würzburg, dankte seinen israelischen Professorenkollegen Schwarzfuchs (Tel Aviv) und Reiner (Beer Schäva) sowie Dr. Edna Engel von der Nationalbibliothek in Jerusalem für die geleistete Arbeit. Vor allem das Bistum Würzburg habe von Anfang an die Bedeutung der Steine hoch eingeschätzt und das Projekt finanziell großzügig unterstützt. Außerdem habe die Universität Würzburg das eigentlich nicht unbedingt mit seinem Fach verbundene Projekt immer wohlwollend gefördert. Einen besonderen Dank sprach Müller an Hannelore Ferner aus, der langjährigen Sekretärin am Biblischen Institut. Ohne ihr unermüdliches Engagement, insbesondere bei der Erstellung der Druckvorlage, wäre die Publikation so nicht vorstellbar gewesen, so der seit 2004 emeritierte Bibelwissenschaftler und Judaist.

Dokumentation bietet umfangreiche Kommentierung fast aller 1.455 Grabsteine

410 explizit datierte Grabsteine habe der insgesamt 72 Tonnen schwere Fund enthalten. Anhand von sechs Entwicklungsstufen der hebräischen Schrift sei es dann möglich gewesen, 926 weitere Steine auf 20 Jahre genau zu datieren. „Mit wenigen Ausnahmen gibt es in der Dokumentation zu jedem Fundstück zwei Kommentare. Einen deutschen, der ausführliche Erläuterungen und Hinweise zur biblischen rabbinischen Literatur enthält, sowie einen deutlich knapperen hebräischen, der sich an Insider von jüdischer Kultur und Religion richtet.“ Der erste Band enthalte eine längere Einleitung, die unter anderem die historische Entwicklung jüdischer Friedhöfe darstellt.

Karlheinz Müller, Simon Schwarzfuchs und Avraham (Rami) Reiner (Hg.): Die Grabsteine vom jüdischen Friedhof in Würzburg aus der Zeit vor dem Schwarzen Tod (1147 – 1346). 2104 Seiten, 240 Euro. Willkomm-Verlag, Stegaurach 2011, ISBN 978-3-86652-958-8. Subskriptionspreis bis 31. Januar 2012: 198 Euro.

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