Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Verreckt die Kirche an ihrer Sprache?

18.07.2016

Erik Flügge las aus Bestseller

Erik Flügge (rechts) zusammen mit Dekan Prof. Dr. Martin Stuflesser (links)

Sagen Sie doch einfach, was Sie sagen wollen!

„Warum soll man lange um den heißen Brei reden? Sagen Sie doch einfach, was Sie sagen wollen! Es braucht keine Geschichte, die man komplett mitdenken muss, um eventuell zum gleichen Punkt zu kommen. Es braucht keine langen ausschweifenden Analogien, die Dinge miteinander vergleichen, um dann eine Banalität festzustellen. Erfolgreicher ist man, wenn man schlicht und ergreifend direkt frei heraus sagt, was man denkt und ausdrücken will. Das Gegenüber wird es schon schaffen, sich zu dieser These zu positionieren.“

So hörte es sich an, als Autor Erik Flügge am Freitag, den 15.07.2016, im gut gefüllten Brose-Hörsaal der Neuen Universität aus seinem Beststeller „Der Jargon der Betroffenheit. Wie die Kirche an ihrer Sprache verreckt“ las. Der Einladung der Kath.-Theol. Fakultät zur Lesung waren zahlreiche Interessierte v.a. aus Theologie und Kirche, aus Wissenschaft und Praxis, gefolgt.

 

Die Kunst der guten Predigt – Ein Beispiel

Die von Flügge gelesenen Passagen behandelten v.a. die Predigt. Flügges Thesen lauteten dabei: Predigten brauchen Relevanz! Predigten brauchen starke Emotionen! Predigten brauchen Pointiertheit! Predigten brauchen theologische Substanz! Wie eine gute Predigt gelingen könne, demonstrierte Flügge am Folgetag der Gewalttag von Nizza mit einer spontanen Kurzpredigt:

„Sie sind alle tot. 8o Menschen platt gewalzt und tot gefahren. Überbordender Hass bahnt sich seinen Weg. Ich denke nach über Nizza. Dort trauern Menschen. Sie suchen Halt und Trost in unseren Kirchen. Doch was können wir ihnen geben? Trost? Ein neues Leben? Nichts. Die ehrliche Antwort ist: Nichts! Wir können nur die Hand einer fassungslosen Mutter halten und mit ihr schweigen. Was sollte ich auch sagen? „Der Herr wird Deine Wunden heilen“? – Nein, diese Wunde heilt nie. „Gott ist gut“? – Wie zynisch angesichts seiner Tatenlosigkeit. Mir bleibt nur Schweigen. Das Schweigen eines Enttäuschten. Mein Schweigen findet keine Worte mehr über diesen Gott, der alles zu lässt.

Es erinnert mich an Hiob. Den guten Menschen, dem so viel Leid widerfährt, weil Gott mit dem Satan um seine Seele Glücksspiel spielt. Mit wem hat Gott heute Nacht in Nizza gewettet? Welches dreckige Spiel hast Du heute gespielt? Wenn ich mir Dein Spiel ansehe, trägst Du Schuld, Gott. Mein Schweigen ist ein Vorwurf. Es ist Anklage statt Klage.

Erst jetzt. Erst jetzt, da ich Dir das gesagt habe, wende ich mich an Dich. Ich bitte Dich um Kraft für diejenigen, die heute so schrecklich in ihrer Trauer leiden. Wen sonst sollte ich auch bitten außer Dich? Gib denen, die Du geopfert hast ein neues Leben. Wen sollte ich bitten, außer Dich, Gott?“

 

Kirche braucht passende Oberfläche

In der anschließenden Diskussion mit dem Anwesenden beschrieb Flügge die Kirche aufgrund ihrer unverständlichen Sprache als ein „bürokratisches Monster“ mit einer „kranken Oberfläche“. So unterscheide sich die Sprache der Kirche in ihrer Verständlichkeit kaum von der unverständlichen Sprache von Juristen oder Maklern. Der Unterschied sei nur: Bei Juristen oder Maklern gehöre die Unverständlichkeit ihrer Sprache zu ihrem Geschäftsmodell. Bei der Kirche dagegen nicht. Folglich könne sie sich eine unverständliche Sprache auch nicht leisten. „Die Welt von heute“, so Flügge wörtlich, „kommt auch ohne Gott aus.“

Mit einer abschließend gelesenen Passage appellierte Flügge daher an die Anwesenden: „Ein neuer Auftritt von Kirche muss sich auch im Sprechen ausdrücken. Lassen Sie beim nächsten Mal einfach die belanglose Geschichte weg, wenn Sie predigen. Sagen Sie einfach was Sie sagen wollen, sowie Sie es einem Freund sagen würden. Sie wären überrascht, was sich plötzlich verändern kann. Denken wir die Kirche neu, sie hat eine passende Oberfläche zu ihrem liebenswerten Inhalt verdient.“

 

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