Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Gott weiblich aus jüdischer Sicht

19.06.2012

Rabbinerin Elisa Klapheck sprach im Rahmen der Vortragsreihe „Gottesbilder“ an der Universität

Rabbinerin Elisa Klapheck (Foto: Lydia Hilt)

(cet) Mit der jüdischen Sicht auf die Weiblichkeit Gottes beschäftigte sich Elisa Klapheck im Rahmen der Vortragsreihe „Gottesbilder. Perspektiven auf die Ausstellung Gott weiblich“ an der Würzburger Universität. In ihrem Vortrag „Rabbinische Vorstellungen von Gottes Weiblichkeit“ führte die Frankfurter Rabbinerin in die jüdisch-theologischen Reflexionen über weibliche Aspekte des biblischen Gottesbildes ein.

Das Judentum kennt zahlreiche Namen und Titel Gottes, viele davon sind männlich geprägt, wie etwa „Herr“, „König“, „Vater“ oder „Herrscher“. Solche und andere männlichen Gottesbilder kurzerhand durch weibliche zu ersetzen, führe jedoch nicht weiter. „Einfach nur ‚Gott weiblich‘ statt ‚Gott männlich‘ wäre nicht wirklich besser“, so die pointierte Ausgangsthese Klaphecks vor den mehr als 130 Zuhörerinnen und Zuhörern im Hörsaal an der Neuen Universität.  Denn letztlich spiegle ein Gottesbild immer auch das zugrunde liegende Menschenbild wider, sagten Aussagen über Gott immer auch etwas über den Menschen und seine Beziehung zu Gott aus.

Beispieltexte aus Bibel und rabbinischen Schriften

Mit Hilfe zahlreicher Belegtexte aus dem Alten Testament und dem rabbinischen Schrifttum ging Klapheck, die 2004 als liberale Rabbinerin ordiniert wurde, einzelnen Gottesbezeichnungen näher nach. Dabei berichtete sie auch von ihren eigenen Erfahrungen als feministische Theologin mit solchen auf den ersten Blick männlichen Gottesbezeichnungen. Je intensiver sie sich mit den hebräischen Originaltexten beschäftigt habe, desto  mehr sei das Männliche darin zurückgetreten. Durch das genaue und vertiefte Übersetzen der Texte sei sie heute mit den Texten versöhnt.

Klapheck demonstrierte dies an verschiedenen Gottesbezeichnungen. So könne beispielsweise der Gottesname „El Schaddai“ nicht nur, wie meist üblich, als „der Allmächtige“ wiedergegeben werden; die darin enthaltene Wortwurzel könne auch mit „genug“ übersetzt werden. Dann könne El Schaddai als „der Gott, der gerade noch genug vorhanden ist“ verstanden werden. Gerade angesichts der Erfahrung der Schoa und der Auswirkungen, die dieses unfassliche Geschehen für das jüdische Gottesverständnis hat, sei ein solches Verständnis der heutigen Erfahrung angemessener als die traditionelle Übersetzung. Auch das Ringen vieler Rabbinen um die Auslegung patriarchaler Gottestitel habe in rabbinischen Texten im Talmud und in den Midraschim seine Spuren hinterlassen, wie Klapheck an anderen Beispielen erläuterte.

Errungenschaften der jüdischen feministischen Theologie

Die 1962 geborene Klapheck  gab in ihrem Vortrag auch einen Überblick über aktuelle Ansätze in der feministischen jüdischen Theologie. Nach Auschwitz habe die Theologie des 19. Jahrhunderts in weiten Teilen ihre Tragfähigkeit verloren und müssten Gottes- und Menschenvorstellungen neu überdacht werden. Dies betreffe auch Fragen nach männlichen und weiblichen Aspekten des Gottesbildes. Es sei nicht zuletzt eine Errungenschaft der jüdischen feministischen Theologie, dass dabei immer wieder traditionelle Vorstellungen angefragt und verändert würden. Dieser lebendige Diskussions- und Transformationsprozesses dauere an und führe beispielsweise auch dazu, dass Gebete umformuliert und Gebetbücher überarbeitet wurden und werden. Ziel nicht nur der feministischen Theologie müsse es heute sein, die Weiblichkeit Gottes wieder neu und verstärkt im Gottesbild zu verankern. Dies sei jedoch nicht nur eine Frage der Übersetzung oder der Neuformulierung von Texten. Letztlich gehe es um das Thema Herrschaft und damit auch um die Frage nach der Souveränität Gottes. „Ist Gott heute noch souverän? Und wie sprechen wir das an? Das ist wichtiger als die Frage nach männlich oder weiblich“, so das Fazit Klaphecks, die seit 2009 Rabbinerin des „Egalitären Minjan“, der liberalen jüdischen Gemeinde in Frankfurt, ist. An den Vortrag schloss sich eine engagierte Diskussion an.

Nächster Vortrag am 18. Juni

Die Ringvorlesung „Gottesbilder. Perspektiven auf die Ausstellung ‚Gott weiblich‘“ wird vom Lehrstuhl für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen in Kooperation mit der Katholischen Akademie Domschule und dem Rudolf-Alexander-Schröder-Haus veranstaltet. Sie gehört zum Begleitprogramm der bis 25. August 2012 in der Kirche St. Stephan gezeigten Ausstellung „Gott weiblich“.

Die sieben Abende der Vortragsreihe gehen der Frage nach der Geschlechtermetaphorik, der geschlechtsspezifischen Rede von Gott, aus unterschiedlichen Perspektiven nach. Die Reihe wird am 18. Juni 2012 mit einem Vortrag von Prof. Ilse Müllner fortgesetzt. Die an der Universität Kassel lehrende Professorin für Altes Testament spricht zum Thema „Altorientalische Göttinnen und weibliche Gottesbilder der Bibel in den Suchbewegungen gegenwärtiger Religiosität“. Beginn ist um 19 Uhr in Hörsaal 127 in der Neuen Universität am Sanderring, der Eintritt ist frei.

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