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Lehrstuhl für Altes Testament und biblisch-orientalische Sprachen

Lehrstuhl Exkursion in die Türkei

07.01.2007

Nach der erfolgreichen interdisziplinären Exkursion der Lehrstühle Altes Testament und Altorientalistik nach Zentralanatolien vom 17. - 28. September 2007 steht nun der Abschlussbericht zur Verfügung:

Bericht über die interdisziplinäre Exkursion der Lehrstühle
Altes Testament und Altorientalistik nach
Zentralanatolien
vom 17. – 28. September 2007



1. Fachliche Ausrichtung und Schwerpunkte

Die Exkursion hatte 5 fachliche Schwerpunkte:
(1) An erster Stelle standen die archäologischen Zeugnisse und Funde der hethitischen Kultur (17.-12. Jh. v. Chr.) in der Hauptstadt Hattuscha samt Yazılıkaya, in Alaca Höyük und im Hethitermuseum von Ankara.
(2) Es folgten die Bild- und Schriftdokumente der späthethitischen Epoche (900 – 700 v. Chr.) in Karatepe, Maraş, Ivriz sowie die Objekte dieser Epoche in den Museen von Adana (die Statue von Çineköy) und Ankara (Karkemisch-Reliefs).
(3) Zum Programm gehörten die bibelhistorisch relevanten Orte Karkemisch (Schlacht von 605 v. Chr.) und Haran (Abraham- und Jakobstraditionen; Stätte des Mondkults).
(4) Eindrucksvolle Monumente der hellenistisch-römischen Kultur begegneten auf dem Nemrut Daği (1. Jh. v. Chr.), in Ankara (Monumentum Ancyranum) und im Museum von Antakya (spätrömische Mosaiken).
(5) Schließlich waren auch die frühchristlichen Stätten und Zentren der großen christlichen Theologenschule der ersten nachchristlichen Jahrhunderte im Programm bzw. auf der Reiseroute mit einbezogen: Tarsus, Antakya (Antiochien), Urfa (Edessa), Misis (Mopsuestia).

Die abgesteckte Zeitskala der Exkursionsschwerpunkte (1800 v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr.) konnte in zweifacher Richtung ausgeweitet werden: Zum einen bis ins 9. Jahrtausend v. Chr. zurück durch den Besuch der prähistorischen Funde in Göbekli Tepe (ebenso in den Museen von Ankara und Urfa), zum andern bis zur islamischen Epoche durch den Besuch von Moscheen aus der omayyadischen Zeit bis zur Gegenwart.

2. Planung, Ablauf und Methode

Die Exkursionsroute wurde gemäß der genannten Epocheneinteilung von Prof. Wilhelm konzipiert und mit Prof. Seidl abgestimmt. Ein interdisziplinäres Hauptseminar im Sommersemester 2007 führte in die Geschichte und Kultur der verschiedenen Epochen Zentralanatoliens ein und stellte in studentischern Referaten die einzelnen Orte nach Epochen geordnet vor. Während der Exkursion waren die studentischen Referenten vor Ort noch einmal gefordert, in Kürze in die Topographie, Geschichte und Archäologie der einzelnen Stätten einzuführen und die Schwerpunkte der Besichtigung vorzubereiten.
Eine wesentliche Vertiefung erfuhr die Gesamtthematik durch Grundsatzreferate, die die teilnehmenden Experten Professor Groß (Tübingen) zu den Abrahamstexten des Alten Testaments, PD Dr. Stadler (Würzburg) zu den Beziehungen Ägyptens mit dem hethitischen Großreich, Professor Sinn (Würzburg) zu Zeugnissen der hellenistisch-römischen Epoche, bes. zu den römischen Mosaiken von Antakya und Dr. Gaß (Tübingen) zur Topographie und Archäologie Karatepes während der ausgedehnten Busfahrten hielten.


Beim Besuch der Museen in Ankara, Adana, Antakya wurden jeweils Einzelobjekte paradigmatisch für die Gesamtgruppe erklärt, die weiteren Objekte dann der selbstständigen Einzelbeobachtung überlassen.

3. Begegnung mit Experten

Eine besondere fachliche Bereicherung erfuhr die Exkursion durch Begegnungen mit archäologischen Experten, die vor Ort durch die Grabungen führten.
Die ausgezeichneten Kontakte von Professor Wilhelm machten es möglich, dass in Hattuscha der Grabungsleiter Dr. Andreas Schachner selber die Ergebnisse der neuesten Grabungen vorstellte und am rekonstruierten Stadttor von Hattuscha die Methoden der experimentellen Archäologie erläuterte.
In Göbekli Tepe führte Grabungsleiter Dr. Klaus Schmidt durch die in situ belassenen neolithischen Funde mit überdimensionalen Pfeilern und vorzüglichen Tierreliefs. Aus erster Hand erfuhr man von ihm Grundlegendes über das methodische Konzept der Grabung und Konservierung sowie über die Fortführung der Kampagne.

Bei allen hethitischen und späthethitischen Objekten kam der Exkursionsgruppe die hohe Fachkompetenz von Professor Wilhelm zugute, der seit vielen Jahren als Grabungsphilologe von Hattuscha wirkt und dort und in Ankara mit der Registrierung und Entzifferung der neuesten Tontafelfunde befasst ist.

4. Begegnung mit Vertretern der Ostkirchen

Die Exkursionsgruppe nutzte die Gelegenheit, mit Vertretern der christlichen Minorität in der Türkei ins Gespräch zu kommen.
So stellte sich der syrisch-orthodoxe Bischof von Adiyaman Grigorios Melki Ürek in einem Abendgespräch den Fragen der Gruppe.
In Antakya ermöglichte der Vorstand der arabisch-orthodoxen Kirche, der größten christlichen Gemeinde der Stadt, Jan Kocamahhul einen Besuch der Kirche St. Peter und Paul und ihres Gemeindezentrums. Auch er beantwortete in einem Abendgespräch zahlreiche Fragen der Exkursionsteilnehmer.
Auf dem Flughafen Adana kam es zu einer kurzen Begegnung mit dem römisch-katholischen Bischof von Iskenderun, Professor Giovanni Padovese, zu dem ebenfalls briefliche Kontakte während der Vorbereitungsphase bestanden.

5. Exkursionsgruppe

Die 44-köpfige Exkursionsgruppe setzte sich aus Studierenden, Doktoranden und Seniorenstudierenden dreier Fachrichtungen zusammen: Theologie, Altorientalistik und Klassische Archäologie. Sie wurden betreut von den Professoren und Dozenten der beteiligten Fächer: Professor Wilhelm und Dr. Schmidt (Altorientalistik), Professor Sinn (Klassische Archäologie), Professor Seidl und Dr. Ernst (Theologie). Als Gastdozenten und Fachreferenten gehörten die Professoren Groß (Tübingen), Prechel (Mainz) und die Dozenten Stadler (Würzburg), G. Müller (Würzburg) und Gaß (Tübingen) der Gruppe an.
Hervorzuheben ist das harmonische Zusammenwirken der verschiedenen Fachrichtungen, das einen breiten und offenen Gedankenaustausch ermöglichte und gute Einblicke in die verschiedenen Fachrichtungen und ihre Arbeitsweise gewährte.
Die studentische Gruppe bewältigte das dichte Exkursionsprogramm mit großer Aufgeschlossenheit, offener Lernbereitschaft, notwendiger Flexibilität und zeigte sich am Ende sehr dankbar für die fachliche Horizonterweiterung, aber auch für die Einblicke in die Gegebenheiten der modernen Türkei.



Prof. Dr. Theodor Seidl







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Zum Exkursionsbericht.


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