Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Zwischen gehyptem Event und immer leerer werdenden Sonntagsgottesdiensten

07.12.2018

Fortsetzung der Reihe "Liturgie der Zukunft"

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion zusammen mit Moderatorin Stefanie Germann: Kaplan Christian Olding, Prof. Dr. Matthias Sellmann, Weihbischof Johannes Wübbe, Ulrich Fischer, Prof. Dr. Benedikt Kranemann, Prof. P. Dr. Karl Wallner OCist (von links)

Die Kirche in Deutschland befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch, die Zahl der praktizierenden Christen geht zurück, althergebrachte Formen brechen weg oder tragen nicht mehr. Auch die regelmäßige liturgische Praxis vor Ort ist immer schwerer aufrecht zu erhalten – und selbst dort, wo sie (noch?) möglich ist, stellen sich drängende Fragen: Wie kann die Liturgie unter den sich wandelnden Bedingungen so gestaltet und gefeiert werden, dass sie als Quelle und Höhepunkt des Lebens der Christen und der Gemeinden erlebbar ist, wie es das Zweite Vatikanische Konzil wünscht? Welche neuen Formen braucht es, um Christen auch künftig zu ermöglichen, sich als glaubende Gemeinschaft zu erfahren? Wie unkonventionell, wie sehr „Event“ muss Liturgie heute sein, um Menschen zu erreichen, die sie bislang nicht oder nicht mehr anspricht – und wie viel davon verträgt sie überhaupt?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich am Dienstag, 04.12.2018, eine Podiumsdiskussion in der Neubaukirche, zu der der Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft eingeladen hatte und mit der die Reihe „Liturgie der Zukunft“ ihre Fortsetzung fand. Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Martin Stuflesser konnte auf dem Podium mit Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück), Prof. P. Dr. Karl Wallner OCist (Heiligenkreuz), Prof. Dr. Benedikt Kranemann (Erfurt), Prof. Dr. Matthias Sellmann (Bochum), Kaplan Christian Olding (Initiator der „Veni-Gottesdienste“) und Ulrich Fischer (DBK) prominente Gäste begrüßen. Moderiert wurde die Diskussion von Stefanie Germann (SWR).

Die Lösungsansätze der Diskussionsteilnehmer zu den oben genannten Problemfragen fielen sehr unterschiedlich aus: Prof. Dr. Matthias Sellmann präsentierte sein Projekt SilentMOD, mit dem versucht wurde, den Kölner Dom durch seine Inszenierung als Computerserver den BesucherInnen Computerspielmesse Gamescom näherzubringen. So sollte etwa die Gestaltung des Innenraums des Doms als Raum der Kraft das Christsein als Krafterfahrung zum Ausdruck bringen.

Kaplan Christian Olding betonte, dass die Frage nach einer wirkungsvollen Inszenierung nicht neu sei. Vielmehr liege hierin eine traditionelle Kernkompetenz der Kirche. Auch die Verwendung jeweils aktueller, profaner Medien sei nicht illegitim. Schließlich habe auch Jesus selbst seine Botschaft durch profane Geschichte vermittelt. Zusammen mit Olding bekräftigte allerdings auch Weihbischof Johannes Wübbe, dass eine wirkungsvolle Inszenierung kein Selbstzweck, sondern nur ein Mittel zum Zweck sein dürfe. Im Vordergrund müsse der zum Ausdruck gebrachte Inhalt, nicht die Ausdrucksform stehen. 

Die große Anziehungskraft des auf den ersten Blick eher konservativen Zisterzienserstifts Heiligenkreuz gerade auf junge Menschen begründete Prof. P. Dr. Karl Wallner OCist mit der Exotik der dort gefeierten lateinischen Liturgie. Dennoch sprach sich Wallner nachdrücklich dafür aus, gezielt liturgische Angebote für junge Menschen zu entwickeln. Wie seine Vorredner unterstrich auch er die Legitimität der Verwendung jeweils aktueller, profaner Medien. Doch auch wenn die Bühne in der Liturgie mit allen Mitteln bereitet werde, so Wallner, sei es doch letztlich immer Gott, der in der Liturgie wirke und den Menschen berühre.

Auf die Notwendigkeit pluraler liturgischer Formate angesichts einer zunehmend pluralen Gesellschaft wies Prof. Dr. Benedikt Kranemann hin. Als Beispiel für ein solches Format nannte er die im Erfurter Dom regelmäßig stattfindenden „Lebenswendefeiern“, die eine Art „Ritendiakonie“ für kirchlich Fernstehende seien. Die große Nachfrage nach solchen Feiern begründete Kranemann v.a. durch die Thematisierung von existenziellen Anliegen in diesen. Nur wenn die Liturgie einen Bezug zum Alltagsleben aufweise, könnten die in ihr vollzogenen Zeichenhandlungen wirklich aus sich heraus sprechen. In diesem Zusammenhang sprach sich Kranemann auch für mehr Partizipation von Laien an der Liturgie aus, insofern diese oftmals der Lebenswirklichkeit näherstünden als viele Kleriker.

Ulrich Fischer berichtete schließlich von seinen Erfahrungen als Leiter der Arbeitsstelle Katholische Fernseharbeit der Deutschen Bischofskonferenz. Das weitgehende Desinteresse am Sonntagsgottesdienst führe er u.a. auf die mangelnde Profilschärfe und Professionalität der liturgischen Akteure vor Ort zurück. Lösungsansätze benannte er in Form einer Spezialisierung bei der Klerikerausbildung sowie der Entwicklung neuer liturgischer Formate. Nachdrücklich sprach sich Fischer aber v.a. für den Ausbau der kirchlichen Präsenz in den sozialen Medien und die Bildung virtueller Kirchengemeinden aus.

Während der Diskussion hatten die Zuhörerinnen und Zuhörer die Gelegenheit, durch Publikumsanwälte Fragen zu stellen und sich selbst in die Diskussion einzubringen. Im Mittelpunkt der Wortmeldungen standen dabei u.a. die Problematisierung einer liturgischen Eventkultur und die Frage nach alternativen liturgischen Angeboten zum klassischen Sonntagsgottesdienst.

Die Reihe „Liturgie der Zukunft“ fand in diesem Jahr bereits zum zehnten Mal statt. Ziel der Reihe ist es – ganz im Geiste der am 04.12.1963 verabschiedeten Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium (SC) – mit prominenten Gästen aktuelle liturgische Themen zu diskutieren.

 

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