Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Zwischen Anpassung und Widerstand

09.10.2010

Großes Interesse an Auftaktvortrag der Ringvorlesung der Universität zur Apokalypse – Bernhard Heininger referierte über religionsgeschichtlichen Hintergrund der Johannesoffenbarung

Professor Bernhard Heininger (Bild A. Schilling)

(cet) Mit einer theologischen Einführung in die Johannesapokalypse startete die öffentliche Ringvorlesung der Universität, die von der Katholisch-Theologischen Fakultät organisiert wird. Vor vollbesetztem Auditorium erläuterte Bernhard Heininger, Ordinarius für Neues Testament an der Universität Würzburg, den zeitgeschichtlichen Kontext des Textes und arbeitete aktuelle Bezüge zur Gegenwart heraus. Die weiteren Vorträge der Reihe widmen sich der Wirkungsgeschichte des biblischen Buches in Musik, Literatur und darstellender Kunst.

„Was die Johannesoffenbarung widerspiegelt, sind zwei unterschiedliche Konzepte oder Strategien im Umgang mit staatlicher und zugleich religiös verbrämter Macht“, so die These Heiningers in seinem Vortrag „Zwischen Anpassung und Widerstand. Die Johannesapokalypse und der römische Kaiserkult“. Der Würzburger Neutestamentler erläuterte sie am Beispiel des Kaiserkults, einem der zentralen politisch-religiösen Elemente des Römischen Reichs. Die Verehrung des Kaisers als vergöttlichter „Sohn Gottes“ und "Herr und Gott" sowie die damit verbundenen Ansprüche und gesellschaftlichen Konventionen hätten die frühen Christen vor weitreichende Fragen und konkrete Probleme gestellt. Wie sollte man sich gegenüber dieser alle Bereiche des Lebens prägenden Macht, die nicht nur Religion, sondern auch Wirtschaft und persönlichen Alltag bestimmte, verhalten? Sich anpassen oder Widerstand leisten?

Arrangieren oder abgrenzen?

Die heftige Polemik der Johannesoffenbarung gegen diejenigen Christen, die sich mit der Weltmacht Rom, ihren Institutionen und Kulten arrangieren wollten, zeige die Ablehnung, die der Verfasser des letzten Buches des Neuen Testaments einem solchen Verhalten entgegen bringe. Er plädiere stattdessen für einen Kurs der Abgrenzung und des Widerstands. Die Ursache für diese kompromisslose Haltung könne man nur vermuten, so Heininger. Hinweise im Text, u.a. im elften Kapitel des Buches, könnten jedoch auch so interpretiert werden, dass der Apokalyptiker Johannes damit eigene negative Erfahrungen verarbeite, die er als jüdischer Wanderprediger in Palästina im Zusammenhang mit der brutalen Niederwerfung des jüdischen Aufstandes durch die römische Besatzungsmacht gemacht habe. Mit solchen traumatischen Erfahrungen im Gepäck sei er nach Patmos gekommen - und habe sehen müssen, wie sich die dortigen Christen weitaus kompromissbereiter gegenüber der römischen Staatsmacht verhielten. Dieser persönliche Hintergrund könnte möglicherweise auch die mehrere Kapitel umfassenden düsteren Visionen und apokalyptischen Horrorbilder des Buches besser verstehen helfen, so Heininger.

Apokalypse als Krisenliteratur

Zugleich gab der Bibelwissenschaftler jedoch zu bedenken, dass die Johannesoffenbarung nicht die einzige Stimme des frühen Christentums zum Umgang mit staatlicher Macht sei. Und er wies darauf hin, „dass diese faszinierende und mit ihrer bombastischen Bilderwelt einen manchmal förmlich erschlagende Schrift immer dann ihre Renaissance erlebt, wenn sich Staaten totalitär gebärdeten“. Dies sei beispielsweise in Zeiten des Nationalsozialismus ebenso der Fall gewesen wie in den Zeiten der Apartheid, so Heininger weiter. Erklären ließe sich dies am ehesten damit, dass apokalyptische Literatur „Krisenliteratur“ sei. Einer ihrer Zwecke sei es, am eigenen Leib erfahrene Ohnmacht und Hilflosigkeit zu verarbeiten.

An den Vortrag schloss sich eine engagierte Diskussion an, in der der Würzburger Ordinarius für Neues Testament weitere Aspekte des Themas erläuterte. Auch Bezüge zur Gegenwart und zum Jahresprojekt „Endspiel. Würzburger Apokalypse 2010“, in dessen Rahmen die Ringvorlesung angeboten wird, wurden diskutiert.

Nächster Vortrag am 20. Oktober

Die Vorlesungsreihe der Universität „Endspiele. Apokalypse in der Bibel und in den Künsten“ wird am 20. Oktober 2010 um 19.30 Uhr fortgesetzt. Dann referiert der Würzburger Musikwissenschaftler Ulrich Konrad im Toscanasaal der Residenz zum Thema „Apocalypsis cum figuris musices. Musikalische Annäherungen an die Offenbarung des Johannes“.

Von Claudio Ettl

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