Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Weihnachten ist nicht am 24. Dezember

20.12.2011

"Weihnachts-Geschichte" der Pressestelle stellt liturgiewissenschaftliches Promotionsprojekt vor

Benjamin Leven, Promovend am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft (Bild: Gunnar Bartsch/Pressestelle)

Traditionell stellt die Pressestelle der Universität in der Weihnachtsausgabe des einBLICK ein Würzburger Forschungsvorhaben mit weihnachtlichen Bezügen vor. In diesem Jahr wurde dazu ein Promotionsprojekt an der Katholisch-Theologischen Fakultät ausgewählt.

Hier der entsprechende Bericht:

Das Zweite Vatikanische Konzil hat viel in der katholischen Kirche verändert. Auch in der Advents- und Weihnachtszeit haben die Reformen ihre Spuren hinterlassen. Welche das sind, untersucht der Würzburger Liturgiewissenschaftler Benjamin Leven in seiner Doktorarbeit.

Wäre das heute noch denkbar: Eine tägliche Messe im Dezember, die morgens um 6 Uhr beginnt? Für die die Besucher noch früher aufstehen müssen und – zumindest auf dem Land – lange Wege in Kälte und Dunkelheit auf sich nehmen? Nur um dann jeden Tag die gleichen Lieder zu singen, die gleichen Texte zu lesen und immer die gleiche Erzählung aus der Bibel zu hören? Schwer vorstellbar und doch ist es noch gar nicht so lange her, dass solche Messen fester Bestandteil im Alltag von Katholiken war.

Rorate Messen in der Adventszeit

„Rorate-Messen waren in der Diözese Würzburg bis in die 1960er-Jahre hinein gut besuchte Gottesdienste“, sagt Benjamin Leven. Leven ist Doktorand am Lehrstuhl für Liturgiewissenschaft der Universität Würzburg. Im Rahmen des dort angesiedelten Forschungsprojekts zur Liturgiereform in der katholischen Kirche untersucht er für seine Dissertation den Wandel von Frömmigkeitsformen im Bistum Würzburg seit der Nachkriegszeit – der sich natürlich auch in der Advents- und Weihnachtszeit bemerkbar macht.

Rorate-Messe: Der Name ist abgeleitet von dem ersten Wort des Eingangsgesangs jeder dieser Messen. „Tauet, ihr Himmel, von oben. Ihr Wolken, regnet herab den Gerechten.“ Eine Textstelle aus dem Alten Testament, die den Messias herbeiruft. Tauet – auf Lateinisch „Rorate“. Zentrales Motiv der Messen war die Verkündigung des Engels an die Jungfrau Maria: „Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.“

„Diese Messen waren zwar jeden Tag in ihrem Ablauf absolut identisch. Aber sie waren auch sehr feierlich mit Gesang, Chor, Musikern und sehr viel Kerzenlicht“, erklärt Leven die Faszination der Rorate-Messen. Mit der feierlichen Stimmung einher ging bei den Besuchern das Gefühl, dort einen besonderen Segen, eine besondere Gnade zu erhalten. Weshalb in der Diözese Würzburg in manchen Gemeinden sich ganze Nachbarschaften und Straßenzüge zusammenschlossen und solche Messen bestellten. „Die sind dann vermutlich geschlossen dorthin gegangen, um für sich den Segen Gottes zu erbitten“, sagt Leven.

Liturgische Probleme

Obwohl die Rorate-Messen bei den Besuchern beliebt waren, stellten sie die Theologen vor ein Problem. Ein Problem, das für Nicht-Theologen nicht ganz leicht nachzuvollziehen ist.

Katholiken glauben, dass in der Eucharistiefeier, dem Abendmahl, Brot und Wein sich wandeln zu Leib und Blut Jesu Christi. Jesus ist durch die Wandlung sozusagen leibhaftig anwesend. Allerdings war es in den Rorate-Messen üblich, die Monstranz zu Beginn auf den Altar zu stellen. Die Monstranz, ein kostbares, meist mit Gold und Edelsteinen gestaltetes liturgisches Schaugerät, enthielt in ihrem Zentrum eine bereits gewandelte Hostie. „Das ist aus heutiger Sicht völlig unvorstellbar“, sagt Leven. Schließlich geschehe die Wandlung erst im Laufe der Messe, nicht schon zuvor. Die Hostie in der Monstranz vorher anbeten – das macht aus theologischer Sicht also keinen Sinn.

Der Bischof spricht ein Verbot aus

Die Konsequenz: 1961 ließ Bischof Josef Stangl solche Messen „vor ausgesetztem Allerheiligsten“ in der Diözese Würzburg verbieten. Zunächst anscheinend nicht mit durchschlagendem Erfolg: „Ein Jahr später wurde das Verbot noch einmal im Diözesanblatt abgedruckt. Diesmal in einer verschärften Version“, sagt Leven.

Auch der schematische Ablauf der Rorate-Messen war nicht im Sinne der Liturgiereform. An die Stelle des immer gleichen Ablaufs trat jetzt der Gedanke, dass jeder Tag im Advent ein eigenes Programm, ein eigenes Motiv und damit seine jeweils eigenen Texte besitzt. Zentrales Motiv der Messen in der Adventszeit ist nun eine doppelte Vorbereitung: Zum einen natürlich auf Weihnachten, die Geburt Jesu. Zum anderen aber auch auf die zweite Ankunft Christi am Ende der Tage.

Auch wenn es heute wieder in vielen Gemeinden Rorate-Messen gibt: Mit den Messen, die in der Nachkriegszeit üblich waren, verbindet sie nur wenig. „Der frühmorgendliche Beginn, die vielen Kerzen: Das wurde ab den 70er-Jahren vielfach wieder aufgegriffen“, sagt Leven. Der eigentliche Gottesdienst, die Liturgie unterscheidet sich jedoch deutlich von den früheren Abläufen.

Geringe Veränderungen an Weihnachten

Was Weihnachten selbst betrifft, hat sich an den Gottesdiensten der katholischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten nicht ganz so viel verändert wie im Fall der Rorate-Messen. Natürlich: Deutsch statt Latein, das Einbeziehen der Gemeinde, die Hinwendung der Priester zu den Gläubigen: Diese vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschlossenen Reformen sind auch dort zum Tragen gekommen. „Damit sind die Gottesdienste transparenter und erfahrbarer geworden. Die Botschaft kommt nun klarer zum Ausdruck“, sagt Leven.

Ansonsten steht das Schema fest: Die drei Messen finden statt in der Nacht vom 24. auf den 25., am Morgen und im Laufe des Tages des 25. Dezember. Vor allem die erste von ihnen war früher sehr ausführlich und konnte ziemlich lange dauern. Schließlich fand vor der eigentlichen Messe ein Wortgottesdienst statt, in dem intensiv gebetet wurde. Von dem lateinischen Wort für dies kirchliche Nachtgebet – Matutin – leitet sich das deutsche Wort „Mette“ ab, das noch heute in der Christmette zu finden ist. Heute gibt es die „Mette vor der Messe“ nur noch selten. Wahrscheinlich sind nur noch wenige Gläubige dazu bereit, nach Bescherung, Essen, Wein und Plätzchen mehrere Stunden auf der Kirchenbank auszuharren.

Mitternachtsmessen am frühen Abend

Wo man den Gläubigen ebenfalls entgegengekommen ist: „Im Laufe der Jahre ist die Mitternachtsmesse immer weiter nach vorne gewandert“, sagt Benjamin Leven. 22 Uhr, 20 Uhr, es soll sogar schon Gemeinden geben, die um 17 Uhr dazu eingeladen haben. Ansonsten bieten viele Gemeinden heute am Nachmittag des 24. Dezembers einen bunten Reigen unterschiedlicher Formen von Wortgottesdiensten und Krippenspielen an, damit vor allem Familien mit Kindern im Anschluss nach Hause gehen und die Bescherung feiern können. Darüber haben viele inzwischen ganz vergessen, dass Weihnachten erst am 25. Dezember beginnt. „Heute denkt doch die Mehrheit, Weihnachten sei am 24.“, sagt Leven.

(Bericht: Gunnar Bartsch/Uni-Pressestelle)

 

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