Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Theologie und die Welt von heute

10.06.2010

Dritter Vortragsabend der Ringvorlesung "Was treibt die Theologie?" - Religionspädagogik und Dogmatik im Dialog

Porf. Dr. Dr. Hans-Georg Ziebertz (li.) und PD Dr. Jürgen Bründl (Foto: A. Schilling)

(cet) Jüngstes und ältestes Fachgebiet der Theologie standen beim dritten Abend der Ringvorlesung „Was treibt die Theologie?“ der Katholisch-Theologischen Fakultät im Zentrum. Der Religionspädagoge Hans-Georg Ziebertz und der Dogmatiker Jürgen Bründl stellten Grundansatz und aktuelle Themen ihres Faches vor. Unter jeweils unterschiedlicher Perspektive gingen beide der Frage nach, welche Bedeutung die Welt von heute und ihre Herausforderungen für eine zeitgemäße Theologie spielen sollten.

 „Theologie ist vor allem auf das Hier und Jetzt bezogen“, mit diesem Eingangsstatement verdeutlichte Hans-Georg Ziebertz,  seit 1998 Professor für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts, in seinem Vortrag „Praktische Theologie als empirische Wissenschaft“ die Notwendigkeit und Aufgabe der Praktischen Theologie, sich mit der religiösen Praxis zu beschäftigen, sie zu „verstehen und erklären und ihr eine Stimme geben“.

Im Hier und Jetzt

Damit eine so orientierte Praktische Theologe nicht in bloßer Religionssoziologie oder Sozialwissenschaft aufgeht, plädierte Ziebertz für eine intra-disziplinären Theorieansatz des Faches: Empirische Daten einfachhin von anderen Disziplinen erheben zu lassen und sich erst anschließend um ihre theologische Interpretation zu kümmern reiche nicht aus. Vielmehr müssten empirische Methoden und Techniken in die Theologie und in eine praktisch-theologische Hermeneutik integriert werden, um so eigenständige Theorien zur religiösen Handlungspraxis zu entwickeln.  Auf diese Weise erhöhe die Praktische Theologie zugleich ihre Kooperationsfähigkeit mit anderen Wissenschaftsbereichen. „Intra-Disziplinarität kann die Basis schaffen, dass Inter-Disziplinarität möglich wird“, so der Würzburger Religionspädagoge.

Die bisweilen aufgeworfene Frage, ob empirische Forschung tatsächlich eine eigenständige Form des Theologie-Treibens sein könne, beantwortete Ziebertz mit einer Gegenfrage:  Wieso sollte eine derart hermeneutisch integrierte empirische Forschung kein eigenständiger Beitrag zur Theologie sein? „Sie eröffnet einen Zugang zur religiösen Dimension der Wirklichkeit, den die biblische, historische und systematische Theologie in dieser Form nicht bieten können. Die Praktische Theologie, die sich empirischer Methoden bedient, erinnert daran, dass die Wirklichkeit von Kirche und Christentum eine Praxis war und idealerweise eine Praxis ist – und dass dieser Praxis eine eigene theologische Dignität zukommt“, so Ziebertz.

Sich in die Welt stellen

Der Frage nach Ort und Kontexten Systematischer Theologie ging anschließend Jürgen Bründl, Privatdozent und Akademischer Oberrat für Dogmatik an der Universität Würzburg, in seinem Vortrag „Wo(hin) weltliche Not und Gottes Menschlichkeit Theologie stellen – Dogmatik als Arbeit am Begriff eines prekären Glaubens“ nach. Seine These, dass der Außenbezug auf konkrete Orte und Problemlagen der Welt für die Theologie verbindliche Bedeutung besitzen müsse, erläuterte Bründl an einem Vergleich lehramtlicher Vorgaben über Bedeutung und Aufgabe der Dogmatik mit anderen systematischen Ansätzen, insbesondere dem des Befreiungstheologen und Jesuiten Jon Sobrino, der 2007 von der römischen Glaubenskonkregation in einer Notifikation beanstandet worden war.

Wenn die Kirche ihre Aufgabe erfüllen wolle, die Heilsbedeutung des Evangeliums den Menschen nahe zu bringen, müsse sie sich vor Ort, an den Schauplatz des Geschehens begeben und sich den Nöten der Welt stellen. Gesprächspartner in einem solchen Dialog mit der Welt seien dabei auch und oft: gerade die Opfer der Welt. „Sie wissen was Sache ist, haben oft genug am eigenen Leib erfahren, wie es zugeht in der Welt. Deshalb, und weil die Opfer als erste mundtot gemacht zu werden pflegen, verdient ihre Sicht der Dinge privilegierte Aufmerksamkeit“, so Bründl.

Option für die Opfer

Eine solche „Option für die Opfer“, mit der die Befreiungstheologie das pastorale Programm des Zweiten Vatikanischen Konzils systematisch und praktisch umgesetzt habe,  beantworte die Frage nach dem Ort der Theologie eindeutig. Theologie müsse sich den Problemen ihrer Zeit stellen und das „Wissen der Betroffenen aus erster Hand“ ernst nehmen. „Sich in die Welt stellen aber bedeutet, sich an die Seite der Armen zu stellen, sich von den Armen sagen zu lassen, was Heil konkret bedeutet, nämlich die Befreiung von den Mächten der Unterdrückung in einer bestimmten Situation“, so der Dogmatiker.  Wer sich zu dem christologischen Grundsatz bekenne, dass Gott um des Menschen willen Mensch wurde und dazu die „unglaubliche Partikularität und Einseitigkeit eines vor zweitausend Jahren gestorbenen Juden einging“, behaupte damit nicht weniger als dass die Lehre von der „Menschwerdung, Konkretisierung, Vergeschichtlichung Gottes das universale Strukturprinzip der Dogmatik, ja aller theologischen Glaubensreflexion“ sein müsse.

Letzter Abend der Ringvorlesung am 16. Juni 2010

Den beiden Vorträgen schloss sich erneut eine rege Diskussion an, an der sich neben den Referenten auch zahlreiche  Zuhörer beteiligten.

Der vierte und letzte Abend der Vorlesungsreihe, die in Kooperation mit der Katholischen Akademie Domschule angeboten wird, findet am Mittwoch, 16. Juni 2010 um 19.15 Uhr im Hörsaal 318 an der Universität am Sanderring statt. Dann werden der Moraltheologe Stephan Ernst und der Liturgiewissenschaftler Martin Stuflesser ihre Fächer vorstellen und miteinander ins Gespräch bringen.

Von Claudio Ettl

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