Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

Mit zweien sieht man besser

20.05.2010

Zweiter Abend der Ringvorlesung: Kirchenrecht und Kirchengeschichte im Dialog

Heribert Hallermann (li) und Dominik Burkard (Foto: Christian Ammon, Sonntagsblatt)

(cet) Weiterhin auf reges Interesse stößt die Ringvorlesung der Katholisch-Theologischen Fakultät, die sich mit dem heutigen Selbstverständnis der Theologie beschäftigt. Beim zweiten Vortragsabend präsentierten der Kirchenrechtler Heribert Hallermann und der Kirchenhistoriker Dominik Burkard ihre Disziplinen. Ein intensiver und engagierter Dialog schloss sich an.

In seinem Eingangsstatement „Das letzte Buch des Konzils, oder: Wie das Kirchenrecht zur Verlebendigung des Konzils beitragen kann“ ging zunächst Heribert Hallermann, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchenrecht, der Frage nach, welchen Einfluss das Konzil bei der Erarbeitung des neuen kirchlichen Gesetzbuches von 1983 spielte und welche Bedeutung ihm für die Interpretation und die praktische Anwendung des kanonischen Rechts zukommt. Er griff dazu das von Johannes Paul II. gewählte Bild des Kirchenrechts als dem letzten Buch des Konzils auf und plädierte dafür, das Kirchenrecht mit der Optik des Zweiten Vatikanischen Konzils zu interpretieren.

Mitunter stießen Gesetzesnorm und konkretes Leben unvermittelt aufeinander, so dass eine rigide, am Buchstaben verhaftete Auslegung der Vorschriften nicht immer dem Wohl des Menschen diene, um das es der Kirche letztlich gehen müsse. Diese Herausforderung bei der Anwendung des Kirchenrechts illustrierte Hallermann an zwei Beispielen, der Frage nach der Zulässigkeit nichtkatholischer Taufpaten und dem so genannten Verbot der Laienpredigt bzw. der Vorschrift, dass die gottesdienstlichen Homilie allein Priester und Diakon vorbehalten ist. Durch Textvergleiche zeigte er auf, dass keineswegs alle Rechtsnormen unmittelbar aus den Konzilsbeschlüssen abgeleitet werden können.

Plädoyer für Flexibilität des Kirchenrechts

Hallermann regte an, dass die Ortsbischöfe die ihnen vom Kirchenrecht selbst zugestandenen Spielräume bei der Anwendung und Umsetzung gesetzlicher Normen erkennen und vor allem: nützen sollten. „Eine Kirche, die nach der von ihr selbst gesetzten Maßgabe des Konzils die Freude und Hoffnung, die Trauer und Angst der Menschen von heute wirklich teilen will, so dass sie zur eigenen Freude und Hoffnung, Trauer und Angst werden, wird auf der Anwendungsebene die Flexibilität des Kirchenrechts nutzen, um einerseits Identität und Ordnung der Kirche zu wahren und andererseits im Interesse des Seelenheils den Bedürfnissen der Menschen und der konkreten Situationen möglichst entsprechen zu können“, so der Würzburger Kanonist.

Kritisches Auge der Theologie

Im Anschluss daran fragte Dominik Burkard, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit, in seinem Beitrag „Das kritische Auge der Theologie. Aufgabe und Funktion von Kirchengeschichte“ nach Bedeutung und Zweck seiner Disziplin. 1863 hatte der Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger – dessen 120. Todestag den Anlass für die aktuelle Ringvorlesung bildete –  auf der Münchener Gelehrtenversammlung der Theologie vorgeworfen, sie sei einäugig, da sie nur das spekulative Auge benütze, nicht aber das historische. Deshalb sei die Kirchengeschichte das zweite, kritische Auge der Theologie .

Burkard ging zunächst der grundsätzlichen Frage nach, ob Kirchengeschichte Theologie oder Geschichte sei. Er betonte die historisch-kritische Ausrichtung des Faches als „religionswissenschaftlicher Ansatz im Kontext der Profangeschichte“. Damit werde letztlich die Frage nach der Daseinsberechtigung des Faches im Rahmen der Theologie aufgeworfen, die Burkard klar bejahte: Erst mit der gewichtigen Stimme der Kirchengeschichte stelle sich das Klangbild authentischer Katholizität ein, so der Kirchenhistoriker. Kirchengeschichte sei konstitutiv für den theologischen Diskurs. Sie sammle nicht nur archivarisch Quellen und Fakten, sondern trage zum geschichtlichen Verstehen der Sache selbst bei. Damit habe sie für die Theologie eine erkenntnistheoretische und zugleich hermeneutische Funktion.

Burkard verwies auch auf die thematische und methodische Vielfalt des Faches, die sich nicht zuletzt in seinen vielfältigen und unterschiedlichen Untersuchungsgegenständen widerspiegle. Damit  werde der Diskurs mit anderen Geisteswissenschaften, wie der Rechts- und Politikwissenschaft, der Soziologie oder Psychologie unverzichtbar. „Die Anschlussfähigkeit und Anschlussnotwendigkeit einer gerade sozial-, mentalitäts- und kulturhistorisch verstandenen Kirchengeschichte an benachbarte geisteswissenschaftliche Disziplinen liegt jedenfalls auf der Hand“, so der seit 2003 in Würzburg lehrende Kirchenhistoriker.

Rege Diskussion

Den Statements folgte eine rege und intensiv geführte Diskussion, an der sich auch die Referenten untereinander beteiligten. Dabei kamen auch aktuelle Fragen wie die nach dem Ämterverständnis der Kirche, nach Geschichte und Einflussmöglichkeiten synodaler, den Bischof beratender Gremien oder dem Umgang der Kirche mit dem Problemfeld Missbrauch zur Sprache.

Nächster Termin am 9. Juni 2010

Fortgesetzt wird die Ringvorlesung, die in Kooperation mit der Katholischen Akademie Domschule angeboten wird, am Mittwoch, 9. Juni 2010 um 19.15 Uhr im Hörsaal 318 an der Universität am Sanderring. Dann werden der Religionspädagoge Hans-Georg Ziebertz und der Dogmatiker Jürgen Bründl ihre Fächer miteinander ins Gespräch bringen.

Von Claudio Ettl

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