Intern
Katholisch-Theologische Fakultät

„Ein schlechtes Gewissen kann der beste Freund sein“

08.06.2011

Moraltheologe Eberhard Schockenhoff zu Gast an der Universität – Vortrag im Rahmen der Werte-Ringvorlesung

Prof. Eberhard Schockenhoff (rechts) mit einem der Initiatoren der Ringvorlesung, Prof. Karl-Heinz Lembeck (Foto: A. Schilling)

(cet) Der Frage nach dem Gewissen und den Wertmaßstäben im Kopf ging der bekannte Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff in seinem Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung der Universität „Welche Werte wozu?“ nach. Aktualität des Themas und Bekanntheit des Referenten gleichermaßen hatten für einen vollbesetzten Hörsaal gesorgt.

In seinem Beitrag „Wie gewiss ist das Gewissen? Die Frage nach dem Wertmaßstab im Kopf“ analysierte Schockenhoff die klassischen theologischen Gewissenstheorien von Augustinus, Thomas von Aquin und Martin Luther und stellte sie in Beziehung zu Heideggers existential-ontologischem Gewissenskonzept. Dessen kritisches Urteil über die traditionellen Gewissensmodelle als „vulgäre Deutungen“ greife zu kurz, so der seit 1994 an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg lehrende Moraltheologe.

Mehr als erhobener Zeigefinger

Das Gewissen sei keineswegs nur der erhobene Zeigefinger, der verbiete und gebiete, sondern ein intuitiver und diskursiver Prozess, der das Handeln des Menschen auf dem Boden einer grundlegenden religiösen Erfahrung beurteile. Dabei spiele die Beziehung zum Anderen eine wichtige Rolle, so Schockenhoff weiter. Dies komme bei Heidegger und seiner Interpretation des Gewissens als Ruf zur Selbstverwirklichung und zur Sorge um das eigene Selbst zu kurz. „Das Gewissen macht mich als Mensch einmalig, indem es mich fordert und mir jetzt zeigt, was ich zugunsten des anderen tun soll.“

Gutes Gewissen "eine zweischneidige Sache“

Das sprichwörtliche „gute“ Gewissen sei deshalb keineswegs immer nur gut. Es zeuge zwar von Ich-Stärke und Selbstbewusstsein. Zugleich könne es aber als „Tranquilizer, der Warnsignale abschaltet“, auch zum schlechten Ratgeber werden. Umgekehrt könne das schlechte Gewissen „der beste Freund sein, den wir haben“, da es zum kritischen Nachdenken über das eigene Handeln im Kontext des Anderen anrege. „Damit leitet es uns zum Selbst-Sein-Können“, so Schockenhoff weiter.

In der anschließenden Diskussion konkretisierte Schockenhoff, der auch stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates ist,  seine grundsätzlichen Aussagen auf aktuelle Fragestellungen hin. Die Entscheidung des Bundestags bei der Frage der Freigabe der Präimplantationsdiagnostik PID kam dabei ebenso zur Sprache wie mögliche Konflikte zwischen persönlichem Gewissen und Aussagen des kirchlichen Lehramts, beispielsweise in Fragen der Sexualmoral.

Der nächste Vortrag der Reihe findet am 20. Juni statt. Dann spricht Petra Bahr, Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Thema "Haltung zeigen!"

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