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Lehrstuhl für Theologische Ethik - Moraltheologie

DFG-Projekt: Kritische Edition des Speculum universale des Radulfus Ardens

  • Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Projektdauer: bewilligte Fördermittel bis 31.12.2024
  • Projektbeginn: 1. Oktober 2016
  • Mitarbeiter/innen:
    • Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Dr. Claudia Heimann
    • Wissenschaftlicher Mitarbeiterin: Dr. Anette Löffler
    • Wissenschaftliche Hilfskräfte: Luisa Breunig, Tobias Arnold

Das Speculum universale des Radulfus Ardens ist die umfangreichste und ausführlichste systematische Gesamtdarstellung der theologischen Ethik im 12. Jahrhundert. Seine Entstehungszeit ist im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts anzusetzen. Eingeteilt ist das Speculum universale in Kapiteln in 14 Bücher, von denen die Bücher I–V eine allgemeine Tugendlehre enthalten, während die Bücher VII–XIV die einzelnen Tugenden inhaltlich entfalten und dabei viele konkrete ethische Fragen zur Sprache bringen (Buch VI, das vom Gebet handeln sollte, ist nie geschrieben worden).

Über den Autor selbst ist kaum Sicheres greifbar. Deutlich ist jedoch, dass Radulfus Ardens – wie auch Alanus von Lille, Johannes von Salisbury, Simon von Tournai, Petrus Cantor, Magister Martinus, Magister Hubertus – dem Kreis der Porretaner, also der von Gilbert von Poitiers (Gilbertus Porretanus) beeinflussten Theologen des 12. Jahrhunderts, zugehört. Charakteristisch für diesen Theologenkreis ist es u.a., dass in der Tugendlehre antike philosophische Tugendeinteilungen und ein entsprechendes philosophisches Tugendkonzept rezipiert werden.

Die Porretaner unterscheiden sich darin markant von dem einflussreichen Werk des Petrus Lombardus und seinem Schülerkreis. Während diese in der Ethik ein primär theologisches, von der Gnade her denkendes Tugendverständnis zur Geltung bringen und die sittlichen Grundhaltungen auf die geschenkte Tugend der caritas reduzieren, bringen die Porretaner die Eigenwirklichkeit des Menschen verstärkt zur Sprache. Gerade bei Radulfus Ardens wird diese Eigenwirklichkeit des Menschen in seiner Anthropologie und der darauf aufbauenden speziellen Tugendlehre ausführlich entfaltet. Besondere Bedeutung kommt dabei auch dem Konzept der Komplementärtugenden zu. Gerade dieser Blick auf die Eigenwirklichkeit des Menschen macht den Ansatz des Radulfus für eine heutige theologische Ethik interessant, in der die Einbeziehung der Humanwissenschaften eine zentrale Rolle spielt.

Trotz dieser Bedeutung für die Geschichte der theologischen und philosophischen Ethik, hat es in der Vergangenheit keine Editionen des Textes gegeben, er war nur in den Handschriften zugänglich. Durch Förderung mit DFG-Mitteln konnte in der Zeit von 2005 bis 2014 bereits die kritische Edition der Bücher I-V des Speculum universale einschließlich einer umfassenden editorischen Einleitung in das gesamte Werk erarbeitet werden. Diese Edition liegt vor als:

Radulfi Ardentis Speculum Universale, libri I-V, Ed. Claudia Heimann / Stephan Ernst (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 241), Turnhout 2011.

Durch die seit 2016 von der DFG bewilligten Mittel ist es möglich geworden, auch die Bücher VII-XIV zu edieren und damit der weiteren Forschung zugänglich zu machen. So ist 2020 der 2. Band der kritischen Edition erschienen:

Radulfi Ardentis Speculum universale, libri VII-X, Ed. Claudia Heimann / Stephan Ernst (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 241A), Turnhout 2020.

1. Edition:

Radulfi Ardentis Speculum universale libri I-V, ed. C. Heimann/S. Ernst (CCCM 241), Turhout 2011.

Radulfi Ardentis Speculum universale libri VII-X, ed. C. Heimann/S. Ernst (CCCM 241A), Turnhout 2020.

 

2. Übersetzungen:

Radulfus Ardens - Wie enstehen Tugenden und Laster?, lateinisch/deutsch, herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von Stephan Ernst (HBPhMA 41), Freiburg / Basel / Wien 2017.

Stephan Ernst/Tobias Janotta, Radulfus Ardens: Typologie von Almosen (um 1200). Einführung und Übersetzung, in: G. K. Schäfer/W. Maaser (Hg.), Geschichte der Diakonie in Quellen. Von den biblischen Ursprüngen bis zum 18. Jahrhundert, Göttingen 2020, 347-356.

 

3. Untersuchungen:

Stephan Ernst, „Estote prudentes sicut serpentes et simplices sicut columbae“ – Der Gedanke der Komplementärtugenden im Speculum universale des Radulfus Ardens, in: Spiritus et Littera. Beiträge zur Augustinus-Forschung (FS Cornelius Mayer OSA), hg. von G. Förster/A. Grote/Chr. Müller, Würzburg 2009, 551-575.

Stephan Ernst, Klug wie die Schlangen und ehrlich wie die Tauben. Die Lehre von den Komplementärtugenden als Strukturprinzip der Tugendlehre des Radulfus Ardens, in: MThZ 61 (2010) 43-60.

Claudia Heimann, Beobachtungen zur Rezeption der Werke des Radulfus Ardens im ausgehenden Mittelalter, in: Archa Verbi. Yearbook for the Study of Medieval Theology 10 (2013) 166-176.

Stephan Ernst, Die passiones animae im Speculum universale des Radulfus Ardens, in: Passiones animae. Die „Leidenschaften der Seele“ in der mittelalterlichen Theologie und Philosophie, hg. von Chr. Schäfer/M. Thurner, Berlin 2013, 135-164.

Stephan Ernst, Sittlichkeit und Kontingenz. Die Bedingtheit des Menschen und ihre Bedeutung für die Entfaltung von Tugenden und Lastern nach Radulfus Ardens († um 1200), in: Zukunft aus der Geschichte Gottes. Theologie im Dienst der Zukunftsfähigkeit der Kirche, hg. von G. Bausenhart/M. Eckholt/L. Hauser (FS. Peter Hünermann), Freiburg/Basel /Wien 2014, 264-286.

Stephan Ernst, Die Tugendethik Hildegards von Bingen im Kontext ihrer Zeit – Ein Vergleich mit der Konzeption des Radulfus Ardens, in: Unversehrt und unverletzt. Hildegards von Bingen Menschenbild und Kirchenverständnis heute, hg. von R. Berndt in Verbindung mit M. Zátonyi (Erudiri Sapientia, Band XII), Münster 2015, 49-76.

Tobias Janotta, Philosophi … erraverunt (Spec. Univ. 1,41). Der Traktat De anima im Speculum universale des Radulfus Ardens. Ein bemerkenswertes Beispiel für kritische Rezeption der platonischen Seelenlehre in der Frühscholastik, in: AAH 56 (2016) 127-138.

Tobias Janotta,  Die Soteriologie im Speculum uniuersale des Radulfus Ardens. Eine systematische Betrachtung des Heilshandelns Christi aus der Perspektive der Tugendethik, in: U. Roth/D. Olszynski (Hg.), Soteriologie in der frühmittelalterlichen Theologie (Archa Verbi. Subsidia 17), Münster 2019, 279-314.

Stephan Ernst, Radulfus Ardens und sein Speculum universale (Zugänge zum Denken des Mittelalters, hg. von M. Dreyer, Bd. 9), Münster 2021.

Claudia Heimann/Anette Löffler, Zur Frage der Abhängigkeit des Speculum universale des Radulfus Ardens vom Verbum adbreviatum des Petrus Cantor, in: Th. Brandecker/T. Janotta/H. Weingärtner (Hg.), Theologische Ethik auf Augenhöhe. Festschrift für Stephan Ernst, Freiburg i. Br. 2021, 297-318.

Tobias Janotta, "Ita teneant uirtutes, quod uitia euitent collateralia" (Hom. epist. 2). Zur Bedeutung der Lehre von den Komplemengtärtugenden im Predigtkorpus des Radulfus Ardens, in: Th. Brandecker/T. Janotta/H. Weingärtner (Hg.), Theologische Ethik auf Augenhöhe. Festschrift für Stephan Ernst, Freiburg i. Br. 2021, 319-340.

Tobias Janotta, Komplementarität der Leidenschaften. Die Lehre von den affektiven Tugenden im Speculum universale des Radulfus Ardens (gestorben um 1200) (Veröffentlichungen des Grabmann-Instituts, Bd. 70), Berlin / Boston 2022.