Intern
Nachwuchsgruppe „Herrschaft“ (Dr. Katharina Ebner)

Neuerscheinungen: Das Recht auf Vergessenwerden & Homosexualität in der BRD der 80er Jahre

08.02.2022

Zwei Neuerscheinungen von Dr. Katharina Ebner beleuchten Aspekte der menschlichen Autonomie und den Rechten, die ihr Ausdruck verleihen: Das Recht auf Vergessenwerden als Ausdruck einer autonomen Lebensführung im digitalen Raum und den Umgang mit Homosexualität und ihrer rechtlichen Normierung in der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre.

  • Homosexualität im parlamentarischen Ringen der Bundesrepublik Deutschland in den 1980er Jahren: Menschenrecht anstatt religiös geprägter Moral?, in: Revue d'Allemagne et des pays de langue allemande 53/2 (juillet-décembre 2021), 465–484.

Abstract
In den 1980ern war Homosexualität in der Bundesrepublik Deutschland ein Thema, das die etablierten Parteien nicht mehr ignorieren konnten. Im Bundestagswahlkampf von 1980 hatten sich erstmals alle drei Parteien damit auseinandergesetzt. Während in der SPD keine gemeinsame Position gefunden werden konnte, bildeten FPD (mit ihrer Forderung der Streichung des § 175 StGB) und CDU / CSU mit einer radikalen Ablehnung aller weiteren Veränderungen die Extrempositionen. Im Verlauf der sozialliberalen Koalitionsverhandlungen von 1980 hatte sich jedoch gezeigt, dass die Umsetzung der Pläne der FDP am Widerstand des Koalitionspartners SPD scheitern würde. Auf diese Weise wurde es zur parteipolitischen Fragestellung, die sich weiter verschärfte, als mit den GRÜNEN im Bundestagswahlkampf von 1983 eine weitere Partei für die Streichung des § 175 StGB warb und sich darüber hinaus als Vertreterin (nicht nur) sexueller Minderheiten verstand. Die parlamentarische Auseinandersetzung über Homosexualität fand dabei zunächst erinnerungshistorisch im Kontext einer NS-Opfer-Debatte statt. Die weitere Beschäftigung offenbarte grundsätzliche Schwierigkeiten in der Verortung: Sowohl moralisierende als auch pathologisierende Sichtweisen auf (Homo-)Sexualität standen unter Druck. Heteronormative Familienideale verloren ihre universale Plausibilität, unterlagen aber auch dem Versuch der Revitalisierung und Neuinterpretation, religiöse Bezüge spielten eine geringere Rolle und menschenrechtliche Begründungsfiguren gewannen an Relevanz, was insbesondere im Vergleich mit der Situation in Großbritannien sichtbar wird.

  • Das Recht auf Vergessenwerden und seine Bedeutung für die autonome Lebensführung, in: Thomas Brandecker, Tobias Janotta, Hendrik Weingärtner (Hg.): Theologische Ethik auf Augenhöhe. Freiburg i. Br.: Herder 2021, 283–293. (FS Stephan Ernst)

Abstract
Ausgehend von der Autonomie als Moralprinzip, das es philosophisch sowie anthropologisch-ethisch zu konturieren und unter Einbezug der Kritik durch Axel Honneths dezentrierte Autonomie weiterzuentwickeln gilt, wird das Private als Raum der Bedingung und Konkretisierung von Autonomie etabliert. Es braucht dafür – so die These – gesellschaftlich-strukturelle Garantien, um gelingendes Leben zu ermöglichen. Den normativen Gehalt von Privatsphäre macht dabei aus, Kontrolle über die eigene Person und den Zugang anderer dazu auszuüben. Dieser wird schließlich im Recht auf Vergessenwerden als einem Anwendungsfall für das Streben nach Autonomie in einer digitalen Welt entfaltet.