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Lehrstuhl für Pastoraltheologie

Bis 2013

Neuerscheinung

Bildmontagen

Erich Garhammer (Hrsg.)

Die Apokalypse in der Bibel und in den Künsten, Regensburg 2012.

Das himmlische Jerusalem steht im Mittelpunkt des ästhetischen Konzepts in der renovierten Würzburger Augustinerkirche. Der Seher der Johannesapokalypse entwirft in seinem Buch Visionen einer herrschaftsfreien Gottesnähe. Seine Bilder sind aus alttestamentlichen Mosaikbausteinen zusammengesetzt, es sind Bildmontagen mit großer Wirkungsgeschichte.

Der Band erschließt die Johannesapokalypse exegetisch und erhellt apokalyptische Motive in Literatur, Musik und bildender Kunst.

Bernhard Heininger (Prof. für Neues Testament) legt dieses Buch vor dem Hintergrund des kleinasiatischen Kaiserkults aus, Prof. Ulrich Konrad, Musikwissenschaftler und Leibnizpreisträger, zeichnet seine Wirkung in der Musikgeschichte nach. Dr. Thomas Schauerte, Leiter des Dürerhauses und der Graphischen Sammlung Nürnberg widmet sich der Dürerschen Apokalypse. Prof. Erich Garhammer, Pastoraltheologe und Grenzgänger auf dem Gebiet von Theologie und Literatur, geht apokalyptischen Motiven in der modernen Literatur nach und Peter Reinl, Prior des Augustinerklosters Würzburg, beschreibt im Gespräch mit Bernhard Spielberg den aktuellen Umbau der Augustinerkirche.

Herausgeber:

Erich Garhammer ist Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Würzburg sowie Schriftleiter der Zeitschrift „Lebendige Seelsorge". Letzte Veröffentlichung: Zweifel im Dienst der Hoffnung. Poesie und Theologie, Würzburg 2011.


Die Rede von Herrn Garhammer bei der Buchpräsentation am 11. Dezember 2012 finden Sie hier.

„Johnny Walkers“ langer Schatten – und andere Konzilsgeschichten

Der Ökumeniker Otto Hermann Pesch blickt als Zeitzeuge des Zweiten Vatikanums zurück und nach vorn.

„Ich kann nicht einsehen, warum Dogmatik nicht auch ein Lesevergnügen, ja gelegentlich auch witzig sein dürfe“ schrieb Otto Hermann Pesch vor einigen Jahren in der Einleitung zu seiner Katholischen Dogmatik. Seinem Anspruch an eine ebenso tiefgründige wie vergnügliche Theologie wurde der Hamburger Systematiker nicht nur in seinen Büchern gerecht. Im Rahmen eines Gastvortrags am vergangenen Mittwoch an der Würzburger Universität beleuchtete er mit Witz und Verstand die Hintergründe des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) sowie dessen Wirkungsgeschichte.

Otto Hermann Pesch war auf Einladung des Würzburger Pastoraltheologen Erich Garhammer nach Würzburg gekommen. Zusammen mit der Zeitschrift Lebendige Seelsorge und der Hauptabteilung Schule und Erziehung im Bistum Würzburg hatte dieser den Theologen gewinnen können, als Zeitzeuge des Konzils seine Erfahrungen und Einschätzungen mit Seelsorgern, Religionslehrern und Studierenden zu teilen.

Pesch war 31 Jahre alt, als Johannes XXIII. Im Jahr 1962 das Konzil eröffnete. Entsprechend lebendig sind auch seine Erinnerungen. Sein ganzes Berufsleben hindurch begleitete er das Konzil und die Debatten um seine Umsetzung. Insbesondere, als er von 1974-1999 – als Katholik – als Professor für Systematische Theologe am Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg lehrte. Er verfasste das Standardwerk „Das Zweite Vatikanische Konzil. Vorgeschichte – Verlauf – Ergebnisse – Wirkungsgeschichte“, das 1993 erschien und mittlerweile die dritte Auflage erreicht hat.

Seinen Vortrag begann Otto Hermann Pesch mit einer Reise in die Vergangenheit. Schließlich könne man, so der 81-jährige, die zentrale Bedeutung des Konzils nur verstehen, wenn man sich die Situation der Kirche in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergegenwärtige. Die Spannungen zwischen der Kirche und der Moderne waren damals auf Schritt und Tritt zu spüren. Während die römische Kurie neueren Entwicklungen in Wissenschaft und Kultur ablehnend gegenüberstand und nahezu alle Lebensbereiche der Kirchenmitglieder zu kontrollieren suchte, wuchs in der Bibelbewegung und der Liturgischen Bewegung ein neues, mit der Gegenwart versöhntes Verständnis des Lebens aus dem Glauben. Und während in den Bibelwissenschaften mit der historisch-kritischen Methode ein völlig neuer Zugang zu den Quellen der Heiligen Schrift möglich wurde, versuchte Rom die Theologen zu Sprachrohren des Lehramtes zu machen. Für den einzelnen waren diese Positionen kaum kompatibel: So musste auch Pesch im Laufe der Jahren viermal den Antimodernisteneid für Theologen und Amtsträger leisten. Zu einer Zeit, in der man mit dem dort beschworenen Welt- und Kirchenbild kein theologisches Examen hätte bestehen können.

Fünf Elemente hob Pesch in einem zweiten Schritt als wesentliche Fortschritte des Konzils hervor: Zum einen die völlig neuartige Kultur der Kommunikation – sowohl innerhalb der Konzilsaula als auch in den beschlossenen Texten. Das Zweite Vatikanum sollte das erste Konzil werden, das keine Verurteilungen ausspricht. Dies war eines der zentralen Anliegen Johannes‘ XXIII., von dem eine Anekdote erzählt, er habe die Entwürfe der Vorbereitungskommission mit dem Zollstock in der Hand gelesen und einmal einem Vertrauten gegenüber beklagt: „Sehen Sie nur: in diesem Entwurf gibt es dreißig Zentimeter Verurteilungen.“

Zweitens nannte Pesch das neue kirchliche Selbstverständnis, das in der Rede vom Sakrament und vom Volk Gottes in der Konstitution Lumen gentium zum Ausdruck kommt. Damit sei die fragmentarische Ekklesiologie des Ersten Vatikanischen Konzils endlich in einen größeren Zusammenhang gestellt worden. Das Erste Vatikanum, das im Jahr 1870 angesichts des aufflammenden Deutsch-Französischen Krieges auf unbestimmte Zeit vertagt worden war, hatte zwar die Vorrangstellung des Papstes betont und dessen Unfehlbarkeit dogmatisch abgesichert. Aussagen über das Verständnis der Kirche als ganzer oder gar über die Rolle der Getauften hatte es aber nicht getroffen. Diese dogmatische Schlagseite hatte in den Jahrzehnten darauf nicht nur kirchenpolitische, sondern auch pastorale Auswirkungen – sie unterstützen beispielsweise weiterhin das Bild vom Seelsorger als Hirt unmündiger Schafe.

Drittens ging Pesch auf die Neubestimmung des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zu den anderen christlichen Kirchen und zu den anderen Religionen, vor allem zum Judentum ein. Ebenso würdigte er viertens die Aussagen des Konzils über die Religionsfreiheit. Beide Erklärungen des Konzils bedeuteten vor dem Hintergrund der bis dato geltenden Lehrmeinung einen entscheidenden Fortschritt, der in der Praxis auch schnell Früchte trug. Ökumenische Initiativen vor Ort sind heute schließlich genauso selbstverständlich wie die Besuche eines Papstes in Moscheen und Synagogen. Zuletzt ging Pesch auch auf die Pastoralkonstitution Gaudium et spes ein, die als einziges Dokument aus dem Konzil heraus entstanden war und die Kirche in ein solidarisches Verhältnis zu den Menschen ihrer Zeit setzte.

Kritisch fiel schließlich Peschs Blick auf die Wirkungsgeschichte des Konzils aus. Zwar sei es in der Kirchengeschichte schon immer so gewesen, dass die Beschlüsse von Konzilien mindestens 50 Jahre gebraucht hätten, bis sie in der Praxis umgesetzt worden seien. Die Beurteilung des bisherigen Weges der Konzilsrezeption fiel dennoch ambivalent aus. Detailliert zeigte Pesch, dass eine Differenz besteht zwischen der strukturellen Implementierung der Konzilsbeschlüsse in der römischen Kurie und ihren Verlautbarungen einerseits und der Integration der Beschlüsse in die Denk- und Handlungsweisen der weltweiten Kirche andererseits. So sei beispielsweise die Strategie einiger römischer Texte, den Volk-Gottes-Begriff der Hierarchie unterzuordnen, eine Missachtung der Äußerungen des Konzils. Auch habe mit dem gegenwärtig für Amtsträger verpflichtend vorgeschriebenen Treueid 25 Jahre nach der Abschaffung des alten ein neuer Antimodernisteneid in der Kirche Einzug gehalten. Allerdings dürfe nicht übersehen werden, dass in vielen Bereichen des kirchlichen Lebens die Errungenschaften des Konzils heute eine derart selbstverständliche Praxis sind, dass es gerade den Jüngeren kaum vorstellbar erscheint, dass es jemals anders gewesen sei: etwa in der Ökumene, in der Mitarbeit von so genannten „Laien“, in der Liturgie, im interreligiösen Dialog und in der Hochschätzung der Würde des Menschen oder im vielfältigen Methodenkanon der theologischen Disziplinen.

In Fragen der Interpretation des Konzils machte sich Pesch für zwei Haltungen stark: Zum einen dürfe man die Offenheit der Texte für unterschiedliche Positionen nicht einfach zu Gunsten einer Seite aufzulösen, wie es seit einiger Zeit im Blick auf den Offenbarungsbegriff zu beobachten sei. Die Polarität inmitten einiger zentraler Texte sei nämlich gerade keine Schwäche, sondern vielmehr ein Zeichen der Katholizität. Zum anderen helfe vor allem dort, wo es heute um den „Geist des Konzils geht“ der Blick in die Textgeschichte der einzelnen Beschlüsse. Denn vielfach seien sehr profilierte Aussagen in Vorlagen, die bereits eine deutliche Mehrheit des Konzils befürwortet hatten, in der Schlussredaktion wieder abgemildert worden, um der Minderheit der Gegner entgegenzukommen und nahezu einstimmige Abstimmungsergebnisse zu erzielen. Die eigentliche Intention des Textes lasse sich in diesen Fällen daher klar aus den jeweiligen Entwürfen ablesen.

Während des Vortrags und auch im anschließenden Gespräch gelang es Otto Hermann Pesch auch komplexe theologische Sachverhalte anschaulich auf den Punkt zu bringen. Er nannte Konflikte beim Namen und bezog Position – ohne aber die andere Seite abzuwerten. Und er vermittelte dogmatisches Detailwissen mit erfrischendem Humor. Nicht zuletzt das begeisterte die 150 Zuhörer im fast voll besetzten Hörsaal 127. Zum Abschluss zitierte auch Erich Garhammer noch einen Konzilswitz, der auf die große Geste Johannes‘ XXIII. verwies, der beim Einzug in die Konzilsaula von der Sedia gestatoria, dem von mehreren Männern getragenen Papstthron, abgestiegen war, um zu Fuß durch den Petersdom nach vorne zu gehen. Schon bald darauf machte in der Kirche die Frage die Runde, welchen Whiskey der Papst trinken würde – wenn er denn einen tränke: Die Antwort war klar: Jonny Walker.

Bernhard Spielberg

Neuerscheinung

Scheidung-Wiederheirat-von der Kirche verstoßen?

Erich Garhammer und Franz Weber(Hg.),

Für eine Pastoral der Versöhnung, Würzburg 2012.

Die österreichische Pfarrerinitiative mahnt einen neuen Umgang mit den geschiedenen Wiederverheirateten an. Die Kirche wird in ihrer Praxis als unbarmherzig erlebt, viele Pfarrer gehen hier schon einen neuen Weg.

Pfarrer Franz Harant, Familienseelsorger der Diözese Linz, ist aus seiner langjährigen Erfahrung in der Begleitung von Geschiedenen und Wiederverheirateten zum Anwalt einer Kirche geworden, die sich als Versöhnungsgemeinschaft versteht und dies auch in Segnungsfeiern verschiedener Art zum Ausdruck bringt.

Ein Pfarrer berichtet, was ihm im seelsorglichen Umgang mit Wieverheirateten Geschiedenen wichtig geworden ist, eine Psychotherapeutin erzählt von ihren Wahrnehmungen.

Fünf Betroffene schildern das Scheitern ihrer Ehe sowie Verletzungen im familiären und kirchlichen Umfeld, aber auch Aufarbeitung und Aussöhnung durch einfühlsame Seelsorge.

Dieser neue Weg der Versöhnung wird von Theologen unterstützt. Angesichts von menschlichen Krisen und Scheitern plädieren sie für ein kirchliches Umdenken. Sie begründen das neutestamentlich (Gerd Häfner), kirchenrechtlich (Thomas Schüller), moraltheologisch (Eberhard Schockenhoff), dogmatisch (Thomas Ruster und Otto Herrmann Pesch) und pastoraltheologisch (Franz Weber).Erich Garhammer fasst die Lösungswege zusammen.

Leben aus der Katzenperspektive

Thomas Hürlimann las aus „Der große Kater"

(asc) Am Sonntag, den 17. Juni, luden der Würzburger Lehrstuhl für Pastoraltheologie und das Exerzitienhaus Himmelspforten wieder zum Sonntagsdialog ein. Im gut besuchten Burkardussaal des Bildungshauses der Diözese fanden sich knapp 70 Literaturinteressierte ein, um der Lesung des Schweizer Schriftstellers Thomas Hürlimann zu lauschen und danach ins Gespräch mit ihm zu kommen.

Der Lesung ging in guter Tradition ein Gottesdienst in der Kapelle des Exerzitienhauses voraus. In seiner Predigt bezog sich Erich Garhammer, Professor für Pastoraltheologie an der Universität Würzburg, auf das Gleichnis vom Samenkorn. In seine Auslegung bezog er einen Text von Thomas Hürlimann und Martin Walser ein.

In der anschließenden Lesung trug Thomas Hürlimann, der 1950 im schweizerischen Zug geboren wurde, einige Textpassagen aus noch unveröffentlichten Werken vor sowie eine Schlüsselstelle aus seinem Roman „Der große Kater“, der 2010 mit Bruno Ganz in der Hauptrolle verfilmt wurde. Die einzelnen Leseabschnitte ergänzte Hürlimann immer wieder mit Hinweisen auf seine drei Hauptmotive: Tod und Sterben, seine katholische Sozialisation sowie die Bedeutung von Katzen in seinem Leben.

Er sei geprägt vom frühen Tod seines Bruders Matthias, so Hürlimann, und wolle die Welt mit seinen Augen betrachten – was schließlich zu seiner Erzählung „Die Tessinerin“ geführt habe. Ebenso habe ihn die katholische Erziehung im Klosterstift Einsiedeln geprägt – „mit Kutten und frühem Aufstehen“ –, wobei für ihn katholisch nicht mit Uniformität gleichzusetzen sei, sondern vielmehr für das Plurale stehe. Schon Gabriel Marcel habe den Ausspruch getan: „Wenn wir sagen ‚Wir Katholiken’, sind wir schon nicht mehr katholisch.“ Nicht zuletzt sei er geprägt von der Erfahrung mit Katzen (vgl. die persönlich gefärbte Geschichte von Katz/Seidenkatz in „40 Rosen“). Er sei Besitzer einer ihm zugelaufenen Katze und habe sich einmal katzengleich durch den Garten bewegt – auf die stirnrunzelnde Frage seines Nachbarn, was er denn da tue, habe er schlicht geantwortet: „Ich bin Schriftsteller und arbeite.“ Die Katze sei für ihn die personifizierte Freiheit, so der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Hürlimann, sie stehe für Vitalität und für eine andere Sichtweise auf die Wirklichkeit.

Daß der Sohn des früheren Schweizer Bundesrates Hans Hürlimann den Geschichtenkosmos des chassidischen Judentums als Grundlage für sein Schaffen sieht, kam bei seinem munteren Erzählstil, der mehr als einmal die Lacher auf seine Seite zog, ebenfalls zum Vorschein. Als Beispiel dafür sei auf die Geschichte des alten Vestiaribruders in „Die Satellitenstadt“ verwiesen, der trotz erheblicher Gicht wie ein Tänzer auf den Altar kletterte, um der Madonnenfigur das jeweils liturgisch passende Gewand anzuziehen. Diese Gewänder waren sehr kostbar und immer nach der letzten Mode ausgerichtet – so dass die Frauen von überall her gewallt kamen, um sich anhand der Madonna über die neuesten Stoffe und Schnitte zu informieren.

Einige weitere Ausführungen zu seiner persönlichen Prägung, zu seinen Motiven und seinem Erzählstil rundeten den Dialog mit Thomas Hürlimann ab, den der Literat mit der heiteren Geschichte „Der Tunnel“ beschloss. Beim anschließenden kulinarischen Abschluss bestand für die TeilnehmerInnen Gelegenheit zu weiteren Gesprächen mit dem Autor.

Schweizer Schriftsteller Thomas Hürlimann zu Gast beim diesjährigen Sonntagsdialog

Thomas-Mann-Preisträger 2012 liest am 17. Juni in Himmelspforten aus seinem Roman „Der große Kater“
    
Längst ist der Sonntagsdialog in Himmelspforten eine feste Größe im Würzburger Kulturleben. Einmal im Jahr laden das Exerzitienhaus der Diözese Würzburg und der Lehrstuhl für Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät gemeinsam zu einem besonderen Sonntag ein: Nach dem Gottesdienst liest ein Autor aus seinem neuesten Werk und stellt sich den Fragen der Zuhörer. Ein kulinarischer Abschluss rundet die Veranstaltung ab.

Gast des nächsten Sonntagsdialogs am 17. Juni 2012 ist der Schweizer Schriftsteller und Literat Thomas Hürlimann. Er liest er aus seinem 1998 erschienenen Roman „Der große Kater“, der 2010 mit Bruno Ganz in der Hauptrolle verfilmt wurde. Das Werk beschäftigt sich sowohl mit Hürlimanns Familiengeschichte wie der politischen Vergangenheit der Schweiz, es ist packender Politkrimi, tragisches Familienepos und autobiografische Erzählung in einem.

Hauptfigur des Romans ist Thomas Hürlimanns Vater, der Schweizer Bundesrat Hans Hürlimann. Dieser gerät 1979 in eine Glaubwürdigkeitskrise, weil er als Schweizer Bundespräsident die Krebserkrankung seines Kindes dem politischen Machterhalt unterordnet.

„Der große Kater“ wurde oftmals als Schlüsselroman gelesen, als Abrechnung des Sohnes mit dem Vater, der für die Berufskarriere seine Familie opfert. Dabei wird jedoch leicht die Vielschichtigkeit und innere Zerrissenheit der Hauptfigur des Romans übersehen. "Der große Kater" ist mindestens ebenso fulminante Kritik am politischen System und seinem Spiel der Intrigen.

Der 1950 in Zug in der Schweiz geborene Hürlimann wurde mit zahlreichen Preisen und Ehrungen ausge¬zeichnet, so u.a. 1992 mit dem Preis der Stiftung Bibel und Kultur, 1997 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und 2003 mit dem Jean-Paul-Preis. Erst vor wenigen Tagen wurde zudem bekannt, dass Hürlimann im Oktober mit dem diesjährigen Thomas-Mann-Preis, einem der renommiertesten deutschen Literaturpreise, geehrt wird.

Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Novellen "Das Gartenhaus" und "Fräulein Stark" sowie die Romane "Der große Kater" und "Vierzig Rosen". Zuletzt erschien 2009 Hürlimanns Kurzgeschichten-Sammlung "Dämmerschoppen". Er lebt im schweizerischen Willerzell und in Berlin.

Der Sonntagsdialog beginnt um 10 Uhr mit einer Eucharistiefeier im Exerzitienhaus Himmelspforten, Prediger ist der Würzburger Pastoraltheologe Professor Erich Garhammer. Lesung und Gespräch mit Thomas Hürlimann schließen sich um 11 Uhr an. Um 12.30 Uhr endet die Veranstaltung mit einem Mittagsimbiss.


Klage, Bitte, Lob

Formen religiöser Rede in der Gegenwartsliteratur

Gemeinsames Symposium des Instituts für Systematische Theologie

der Universität Wien und des Zentrums für Jüdische Studien

der Universität Basel, Landsitz Castelen, Augst (bei Basel), vom 18. Juni 2012 bis 20. Juni 2012

Klagen, bitten und loben sind Grundvollzüge religiöser Rede, spielen aber auch in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine wichtige Rolle. Sie zeigen an, dass der Mensch auf vielfältige Weise auf andere (und ganz Anderes) verwiesen ist. Die Redeform der Bitte zeigt die Bedürftigkeit einer Person an. Die Klage bringt das Leiden an Unrechtssituationen oder das Vermissen einer Sinnperspektive zum Ausdruck. Danken oder Loben hingegen bringen die Einsicht in die Nichtselbstverständlichkeit oder die Freude über das Gelingen ins Wort. In der Gegenwartsliteratur werden die genannten Redeformen auf unterschiedliche Weise durchgespielt. Sie bringen anthropologische Grundsituationen zum Ausdruck, sind Äußerung allgemein menschlicher, aber auch spezifischer, auf Schicksale von Gruppen oder Personen bezogener Emotionen. Das Symposium widmet sich Texten der Gegenwartsliteratur mit der Fragestellung, wie und in welcher narrativen, performativen oder expressiven Funktion Klage, Bitte oder Lob eingesetzt werden. Das Symposium untersucht auch, ob und inwiefern Zugehörigkeit und Bekenntnis oder soziokulturelle Prägung von Autorinnen und Autoren oder von literarischen Figuren in Texten der neuesten Literatur ausschlaggebend sind für religiöse Redeformen. Diese – durchaus offene – Frage soll literatur- und kulturwissenschaftlich ebenso wie theologisch diskutiert werden.

Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier.

 

Der Dynamik des Lebens abgelauscht

Schriftsteller Arnold Stadler liest aus seiner Übertragung der Psalmen – Öffentliche Lesung im Jüdischen Gemeindezentrum Shalom Europa am 16. Mai 2012

Der vielfach ausgezeichnete Schriftsteller, Theologe und promovierte Germanist Arnold Stadler liest am 16. Mai 2012 um 20 Uhr im David-Schuster-Saal des Jüdischen Gemeindezentrums "Shalom Europa" aus seiner Psalmenübertragung "Die Menschen lügen. Alle".

Auf der ganzen Welt werden die Psalmen gelesen, gebetet und gesungen. In einer Sprache voller Leben, dem biblischen Hebräisch, verfasst, sind sie selbst voller Leben. Über die Jahrtausende hinweg sprechen auch heute noch viele der Texte die Menschen unmittelbar an. Sie sind frühe Zeugnisse der Weltliteratur und haben diese immer wieder beeinflusst und bereichert. Selten sind Leben und Literatur eine solche Einheit eingegangen wie in den Psalmen.

Vor Kurzem hat Arnold Stadler – der bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten seine Doktorarbeit über die Psalmen im Werk Bert Brechts und Paul Celans geschrieben hat –, die Hymnen und Lieder des Psalters in die Sprache der Gegenwart übertragen. Um den Texten möglichst treu zu bleiben, gibt Stadler sie als Gedichte wieder. Dabei belässt er bewusst die ungewöhnlichen Wendungen und selbst auf den ersten Blick verstörende Widersprüche so, wie es vom Psalmisten aufgeschrieben wurde. Die Psalmen seien "Ausdruck der Empfindungen eines aufgewühlten oder begeisterten, enthusiastischen oder deprimierten, hilflosen oder dankbaren Menschen", so Stadler. "Die Psalmen sind 'moderne' Gedichte, ihre Poetik ist der  Dynamik des Lebens abgelauscht", so der 58-Jährige in seinem Buch.

Die öffentliche Lesung von Arnold Stadler findet im Rahmen des Seminars "Die Sprache ins Gebet nehmen. Die Psalmen in der biblischen und zeitgenössischen Literatur" der Würzburger Lehrstühle für Altes Testament und Pastoraltheologie statt. Sie ist eine Kooperation zwischen der der Katholisch-Theologischen Fakultät und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Würzburg und Unterfranken e.V. Beginn ist um 20 Uhr, der Eintritt ist frei.

Arnold Stadler wurde 1954 in Meßkirch geboren und studierte katholische Theologie in München, Rom und Freiburg, danach Germanistik in Bonn und Köln. 1986 wurde er mit einer Arbeit über die Psalmen in der deutschsprachigen Lyrik des 20. Jahrhunderts promoviert. Stadler ist u.a. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung sowie Mitglied im Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Zudem ist er Träger zahlreicher Preise, u.a. des Georg-Büchner-Preises (1999), des Kleist-Preises (2009) und des Johann-Peter-Hebel-Preises (2010).

"Die Menschen lügen. Alle" – Öffentliche Lesung von Arnold Stadler - Mittwoch, 16. Mai 2012, 20 Uhr - Jüdisches Gemeindezentrum "Shalom Europa", David-Schuster-Saal (Valentin-Becker-Str. 11) - Der Eintritt ist frei.

Den Flyer zur Veranstaltung finden Sie hier.

„Herr, zeige mir die Dinge, wie sie wirklich sind“

Der iranische Dichter SAID zu Gast in Würzburg - Öffentliche Lesung aus seinen Psalmen in der Stadtbücherei Würzburg am 2. Mai

Im Rahmen eines Psalmenseminars der Lehrstühle für Altes Testament und Pastoraltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät unter der Leitung der Professoren Barbara Schmitz und Erich Garhammer liest der iranische Dichter SAID am Mittwoch, den 2. Mai 2012 um 20 Uhr in der Stadtbücherei Würzburg aus seinen Psalmen.

Psalmen mit ganz neuem Klang

Seit langem schreibt SAID, der eine unkonventionelle und nicht-konfessionelle Spiritualität sucht und um sie ringt, Psalmen. Die biblischen Psalmen, die die gesamte geistliche Dichtung bis heute prägen, haben Vorbilder in der altorientalischen Literatur. Wer könnte sich mehr berufen fühlen als SAID, dessen lyrische Sprache von der persischen Tradition zehrt, diese uralte Form des religiösen Gesangs und Gebets auf eine zeitgemäße Art aufzugreifen und mit neuem Sinn zu füllen? Nichts in seinen Psalmen ist selbstverständlich, auch nicht das Verhältnis zum angerufenen Gott, alles ist radikal offen und neu. SAIDs Psalmen lassen niemanden kalt, und sie lassen nichts aus, nicht die Katastrophen und Konflikte der Geschichte, nicht die Sprache der Gegenwart, nicht die Nöte des Alltags, nicht die Lust, die Sehnsucht, die Angst vor dem Tod. Nach dem Ende der großen Utopien und einem weltweiten Sieg des Marktes sehnen sich nicht wenige Menschen nach einem Sinn jenseits des Konsums. SAID bewegt sich mit seinen Psalmen in einem Raum des Religiösen, der offen bleibt für Fragen. Seine Poesie ist eine Stimme der Sehnsucht.

SAID - Iranischer Dichter im deutschen Exil

SAID  - 1947 in Teheran geboren -  kommt 1965 als Student nach München. Hier verbinden sich seine literarischen Interessen mit einem politisch-demokratischen Engagement. Damit ist seine Rückkehr in den Iran ausgeschlossen. Nach dem Sturz des Schahs 1979 betritt er zum ersten Mal wieder iranischen Boden, sieht aber unter dem Regime der Mullahs keine Möglichkeit zu einem Neuanfang in seiner Heimat; seither lebt er  im deutschen Exil. SAID schreibt Lyrik und Prosa in deutscher Sprache und war von 1995 bis 1996 Vizepräsident, von 2000 bis 2002 Präsident des deutschen P.E.N.-Zentrums. Seine Bücher sind in mehreren Sprachen erschienen. Er wurde mit namhaften Preisen ausgezeichnet, zuletzt dem Adalbert-von Chamisso-Preis und der Goethe-Medaille.