Deutsch Intern
Catholic theology

Katholikentag in Stuttgart

06/09/2022

Eindrücke aus der Fakultät

Auch unsere Fakultät war auf dem Katholikentag präsent! Nachfolgend einige Eindrücke aus der Fakultät, die durch viele andere zu ergänzen wären:

 

Vielfalt und Begegnung (Christina Bartholomé)

Ich habe in Stuttgart das erste Mal einen Katholikentag besucht. Es hat mich beeindruckt, wie viele ganz unterschiedliche Verbände, Vereine, Organisationen und andere Gruppen dort nebeneinander anzutreffen waren. Die Vielfalt der katholischen Kirche an einem Ort zu sehen, war sehr spannend. Auch die Veranstaltungen spiegelten diese Vielfalt wider. Von Gottesdiensten und Bibeleinführungen über interaktive Workshops, Kunstausstellungen und Theateraufführungen bis hin zu politischen Podien waren die Möglichkeiten so groß, dass die Entscheidungsfindung schwerfiel. 

Ich selbst war hauptsächlich als Teil der ökumenischen Bewegung Christians for Future dort und habe unseren Stand mitbetreut. Auch wir haben eine positive Bilanz vom Katholikentag gezogen – es waren vier Tage voller spannender Begegnungen, guter Gespräche und neuer Perspektiven.

 

Liturgiewerkstätten (Marco Weis)

Eine kleine Gruppe Studierender besuchte im Fach Liturgiewissenschaft am Freitag, 27. Mai, den Katholikentag 2022 in Stuttgart. Auf dem Programm stand der Besuch dreier „Liturgiewerkstätten“, von denen der Würzburger Lehrstuhlinhaber, Prof. Dr. Stuflesser, zwei mit konzipiert und moderiert hat. Die drei Veranstaltungen behandelten ein weites Spektrum an Fragen. Die Themen „Ökumenisch sensibel Eucharistie und Abendmahl feiern“ und „Queere Gottesdienste, Segnungsfeiern, und…“ regten zu lebhaften Diskussionen an. Hier wurde deutlich, dass zum einen schon etliche Fortschritte im Dialog und auch liturgische Innovationen geschehen sind, zum anderen jedoch immer noch Diskussions- und Verständigungsbedarf besteht. Dabei wurde klar, dass Reformwünsche innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands verständlich sind und durchweg von ehrlichem Interesse an Kirche und Glauben befeuert werden. Doch ebenso hat sich gezeigt, dass es hier auch jüngere Stimmen gibt, die andere Positionen vertreten als die landläufig in den Massenmedien kolportierten. Betont wurde einhellig die gemeinsame Grundlage der Taufe für alle Christen. Hinsichtlich einer Vermittlung zwischen den jeweiligen Positionen und einer Sensibilisierung dafür allerdings, dass die Taufe nicht nur die katholische und evangelisch-lutherische Kirche umfasst, sondern – nimmt man das wirklich ernst – auch viele andere Konfessionen weltweit beachtet werden müssen, und es daher nicht immer so einfach eine deutsche Patentlösung gibt, blieb allerdings viel Spielraum nach oben. In diesem Sinne wurde in den Liturgiewerkstätten tatsächlich eine Chance auf Information und Sensibilisierung über den eigenen Horizont hinaus verpasst, obgleich durchaus bereichernde Ansichten ausgetauscht wurden.

Eher praktisch wurde es in der letzten Werkstatt, in der Impulse zur Einbringung von Filmen in der Liturgie gegeben wurden – ein Versuch, „moderne“ Kunst auch in Gottesdienst und Kirchenraum zu etablieren, wohingegen die klassischen Künste wie Musik, Bildhauer- oder Malerei schon lange ihren festen Platz gefunden haben. Hier konnten gute Ideen gewonnen werden. Ein reger Austausch von unterschiedlichsten engagierten Gottesdienstbeauftragten fand statt.

Die in diesem Jahr doch relativ geringe Teilnehmerzahl am Katholikentag fiel in diesen drei Liturgiewerkstätten nicht negativ ins Gewicht. Scheinbar ist die Feier des Gottesdienstes doch ein Thema, das Gläubige auch heute und trotz sinkender Gottesdienst-Teilnehmerzahlen bewegt. Die Stimmung war durchwegs positiv und diskursiv sowie von ehrlichem Bemühen getragen. Nichtsdestoweniger hätte man sich von den eingeladenen Experten allerdings das Bemühen um einen weiteren Blick gewünscht. Die Stuttgarter Innenstadt bot aber insgesamt einen äußerst gastfreundlichen Rahmen für die Vielzahl an Aktivitäten. Insofern kann der diesjährige Katholikentag durchaus als klein aber ebenso fein bezeichnet werden. In jedem Fall tat es gut, zu sehen, dass es in diesem Land immer noch viele und durchaus auch junge Menschen gibt, denen ihr christlicher Glaube etwas bedeutet.                                                                                               

 

Theologie und gesellschaftliche Fragen (Michelle Becka)

Auf dem Katholikentag in Stuttgart durfte ich auf zwei Podien mitwirken. Das erste fand zum Thema „Menschenrecht auf Gesundheit – Lehren aus der Pandemie“ statt und wurde von der Deutschen Kommission Justicia et Pax durchgeführt. Auf dem Podium wirkten der Global Health-Experte Prof. Dr. Walter Bruchhausen, Heike Baehrens (MdB) als gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion und Dr. Han Steutel als Präsident der forschenden Pharmaindustrie mit. Es ging um Produktion von und Zugang zu Impfstoffen, die Frage nach Patenten und Innovation etc. Aber der Blick ging auch über die aktuelle Pandemie hinaus: Auf die Situation vor Ort in den verschiedenen Ländern des Globalen Südens, die Gesundheitsprobleme, die dort virulent sind und von denen Covid-19 ein zusätzliches, selten das drängendste ist. Herausforderungen für die Politik wurden benannt – aber auch für die Ethik und für die Kirche, die in Fragen globaler Gesundheit durchaus als „global player“, der zugleich vor Ort präsent ist, geschätzt wird. Leider war die groß angelegte Veranstaltung, die vielleicht doch sehr speziell war, nur schwach besucht.

Ganz anders das zweite Podium, das der Katholisch-Theologische Fakultätentag unter dem Titel „Welche Theologie(n) brauchen wir?“ veranstaltete: Der Saal mit etwa 200-250 Plätzen war voll. Die Gäste des Podiums bildeten Tandems und sprachen zu verschiedenen Themen: Theologie und Wissenschaft (Prof. Dr. Georg Essen und Staatssekretär a.D. Dr. Josef Lange), Theologie und Religionsgemeinschaften (Prof. Dr. Fahimah Ulfat und Kirchenpräsident Dr. Volker Jung) und Theologie und Gesellschaft (Nisha Toussaint-Teachout, Fridays for Future, und ich). Im Gespräch mit Nisha Toussaint-Teachout tauchte die Frage auf, ob der Glaube zu gesellschaftlichem Engagement motiviere. Meine Hoffnung ist, dass er das tut. Die Aktivistin war überrascht, dass Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit auch in der Theologie (die für sie als Außenstehende schwer von Kirche zu unterscheiden sei!) eine Rolle spielen. Ihre Frage: „Ja, wenn das so ist, warum bekommt man so wenig davon mit?“ ist wohl eine der Fragen, die wir TheologInnen uns stellen (müssen): Sind wir an den Themen der Zeit und an den Fragen der Menschen „dran“? Und falls ja, wie wäre es besser zu kommunizieren? Gleichzeitig wurde deutlich, dass es nicht allein um Kommunikationsstrategien geht. Die Theologie steht vielmehr vor der grundlegenden Frage, wie genuin theologisch (bei allen Fragezeichen, was das heißt) sie im öffentlichen Raum argumentieren will - mit der Gefahr, in eine „Sonderlogik“ zu verfallen, oder wie nah ihre Argumentation an der anderer Geisteswissenschaften ist - mit der Gefahr sich überflüssig zu machen… Auch die Frage nach den zurückgehenden Studierendenzahlen stand im Raum. Nach Auffassung von Dr. Lange seien die Fakultäten nicht zu retten, wenn die Studierendenzahlen weiter zurückgingen. Es sei dringend nötig, dass die Fakultäten als Einheiten agierten, die sich erkennbar profilierten. Die Frage, was das genau bedeutet, nehme ich aus Stuttgart mit.

Die Erfahrungen außerhalb der Podien waren für mich gemischt. Ernüchternd war der Dienst am Stand des Fakultätentages: Hatte ich jemals erwartet, dort mit jungen Menschen über das Theologiestudium ins Gespräch zu kommen und dafür zu werben, wurde diese Erwartung enttäuscht. Es lag auch am ungünstigen Standort, dass dort kaum jemand vorbei kam oder gar interessiert stehen blieb. Ein solcher Stand ist zudem nicht besonders attraktiv. Außerdem - das ist die eigentliche Ernüchterung – waren nach meiner Wahrnehmung deutlich weniger junge Menschen als auf anderen Katholikentag unterwegs. Ja, die insgesamt geringe Zahl an Besuchenden war spürbar. Zugleich muss ich sagen: Es gab viele spannende Veranstaltungen, im Rahmen derer wichtige Themen behandelt wurden. Und es gab vor allem viele Begegnungen und Möglichkeiten zum Gespräch – an den Ständen, bei Empfängen, in der Unterkunft und in der Stadt. Der Katholikentag war ein großes meet and greet. Ich habe das sehr genossen. Es ist aber noch mehr: Ich bin überzeugt, dass wir diese Begegnungsräume brauchen. Die Frage ist, wie wir sie weiter öffnen, nicht schließen!                                                                                  

 

Kleine Großgottesdienste (Martin Stuflesser)

Wie der Presse vielfach zu entnehmen war, der Stuttgarter Katholikentag hat am Ende deutlich weniger Teilnehmer*innen angezogen als die Katholikentage davor. Die Gründe für den Rückgang sind sicherlich vielfältig und wurden an anderer Stelle auch schon ausführlich analysiert. Die Corona-Pandemie mag hierzu ebenso beigetragen haben wie die aktuelle, in weiten Teilen der Öffentlichkeit eher negativ wahrgenommene Performance von Kirche insgesamt. Fakt ist: Der Stuttgarter Katholikentag vermochte nicht jene Anziehungs- und Bindungskräfte zu entwickeln, wie dies etwa beim Katholikentag in Münster vier Jahre zuvor mit knapp 80.000 Teilnehmer*innen noch gegeben war.

Dass der Stuttgarter Katholikentag also zahlenmäßig kleiner ausfallen würde, war im Vorhinein aufgrund der eher schleppenden Anmeldungen bekannt. Dem „kleinen“ Katholikentag sollte, so das Leitbild, das unserer Arbeit vorgegeben wurde, auch ein bescheideneres Auftreten entsprechen:

Die Zeichen der Zeit standen und stehen auch bei solchen kirchlichen Großereignissen nicht auf Triumphalismus, sondern im Zeichen einer neuen Bescheidenheit und, ja, Demut. Die aktuellen inhaltlichen, theologischen Diskussionen auf dem Synodalen Weg zu Fragen der konkreten Ausgestaltung kirchlicher Ämter, der Ermöglichung einer geschlechtergerechten Partizipation, eines Abbaus von Klerikalismus, auch innerhalb der Liturgie, bildeten den Hintergrund auch unserer Überlegungen in Vorbereitung des Katholikentags.

Meine Aufgabe bei diesem Katholikentag war zunächst einfach nur die Mitwirkung als Liturgiewissenschaftler im AK Gottesdienst, der für alle liturgischen Feiern auf dem Katholikentag verantwortlich war. In diesem AK arbeiteten über ein Jahr in der Vorbereitung des Katholikentags knapp 20 Personen intensiv zusammen; dies waren neben lokalen Vertretern*innen aus der Diözese Rottenburg Stuttgart auch Kirchenmusiker*innen und Vertreter*innen des ZdK. Aus dieser sehr konkreten Zusammenarbeit entwickelte sich, dass dem Kollegen Stephan Winter aus Tübingen und mir schließlich die inhaltliche Verantwortung und Leitung der beiden Großgottesdienste an Christi Himmelfahrt und am Sonntag übertragen wurde – eine spannende Aufgabe, gerade vor dem Hintergrund der eingangs skizzierten Gemengelage.

Denn auch ein „kleiner“ Großgottesdienst mit nur knapp um die 10.000 Mitfeiernden will sinnvoll und angemessen gestaltet werden. Zumal, wenn beide Großgottesdienste live im Fernsehen übertragen werden. Wenn schon ein normaler Fernsehgottesdienst im ZDF an einem durchschnittlichen Sonntag rund eine Million Menschen vor den Fernseher zieht, so sind auch dies ja keine passiven Zuschauer, sondern Mitfeiernde, die es entsprechend bei der Planung und Gestaltung der Gottesdienste mit einzubeziehen gilt.

Stephan Winter und ich haben an anderer Stelle, in einem im vergangenen Jahr erschienenen Band zu „Großgottesdiensten als Thema der Liturgiewissenschaft“ (Aschendorff, Münster 2021), versucht herauszuarbeiten, worin die spezifische Herausforderung dieser liturgischen Feiergestalt liegt: Dass es  sich bei live in den Medien übertragenen Großgottesdiensten um ein wirkliches Hybrid-Format handelt, bei dem Menschen auf dem Platz wie vor den Bildschirmen, am Radio, im Internet vereint, in unterschiedlichen Formen der Partizipation also, aber doch möglichst gemeinsam Gottesdienst feiern wollen.

Das Ergebnis des Schlussgottesdienstes, für den ich verantwortlich zeichne, kann in der ZDF-Mediathek angeschaut werden:

https://www.zdf.de/gesellschaft/gottesdienste/katholischer-gottesdienst-450.html 

Wichtig war uns im AK Gottesdienst in der inhaltlichen Vorbereitung: Der Gottesdienst sollte möglichst partizipativ gestaltet sein. Dies zeigte sich in der Vielfalt der liturgischen Aufgaben und Dienste vor Ort wie auch in der Einbeziehung von Christen anderer christlicher Denominationen bei den liturgischen Diensten, es zeigte sich in der Dialogpredigt wie auch in der bewussten Vermeidung von unterschwelligen und oft immer noch zu wenig beachteten Formen von Klerikalismus in der Liturgie.

Es zeigte sich auch in dem Versuch, die Grenzen zwischen Teilnahme und Mitfeier auf dem Platz, vor Ort und zuhause, im Internet oder vor dem Fernseher, bewusst zu verwischen und eine wirklich gemeinsame Feier aller Mitfeiernden zu verwirklichen, indem beim Kyrie und bei den Fürbitten Sprecher*innen auf den beiden großen Videoleinwänden auf dem Schlossplatz eingespielt wurden.

Der Gottesdienst sollte auch gerade im Bereich der Kirchenmusik dazu einladen, bewusst und tätig teilzunehmen. Weniger Konzertantes stand im Mittelpunkt, sondern eine Bandbreite und Vielfalt musikalischer Epochen, Stile und Richtungen, denen gemein war, dass sie die Mitfeiernden auf dem Stuttgarter Schlossplatz wie vor den Bildschirmen einladen sollten, den Gottesdienst aktiv mitzufeiern.

Da der inhaltliche Schwerpunkt beim Schlussgottesdienst auf der Liturgie der Eucharistie, also dem zweiten Teil der Messe ab der Gabenbereitung lag (Christi Himmelfahrt hatte der Akzent auf der Liturgie des Wortes gelegen), wollten wir diesen Teil, konkret das Eucharistische Hochgebet, noch einmal besonders gestalten. Das von den Biblischen Lesungen des 7. Ostersonntags thematisch passende Hochgebet für besondere Anliegen „Die Kirche auf dem Weg zur Einheit“ wurde daher mit leicht-singbaren Akklamationen versehen, die der Chor im Wechsel mit der Gemeinde sang.

Zentral war für uns auch, den überdimensionalen Martinsmantel, der bereits im Gottesdienst an Christi Himmelfahrt eine zentrale Rolle gespielt hatte, noch einmal aufzugreifen. Dieser riesige Martinsmantel, von vielen Gruppierungen aus dem Bistum Rottenburg Stuttgart gestaltet, dann zu einem großen Ganzen zusammengefügt, sollte am Ende des Gottesdienstes symbolisch geteilt werden, analog zur Teilung des Mantels in der Legende vom Hl. Martin. Diese Mantelteilung wurde mit aktuellen (Reform-)Anliegen in Kirche und Gesellschaft verknüpft: Verschiedene Gruppierungen wie Schutzsuchende aus der Ukraine, queere Menschen mit ihrer Erfahrung von Diskriminierung in der Kirche, oder auch Teilnehmer*innen des Synodalen Wegs, empfingen jeweils ein Stück vom Martinsmantel, um dieses dann hinaus zu tragen in die Welt als Zeichen der Hoffnung auf Veränderung.

Mit diesen Bildern, die sicherlich lange im Gedächtnis bleiben werden, haben wir so versucht, das Motto des Katholikentags „leben.teilen“ noch einmal ganz konkret erfahrbar werden zu lassen. So können vielleicht auch von einem kleineren und bescheidener auftretenden Katholikentag und einem verhältnismäßig „kleinen“ Großgottesdienst ganz konkrete Impulse ausgehen, wie Kirche sich in ihrer Liturgie auch darzustellen vermag: auf der Höhe (liturgie-)theologischer Debatten und Reflexionen, und damit hoffentlich auf der Höhe der Zeit und die Zeichen der Zeit erkennend.

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